- Zaunprozess in Dannenberg / Lüneburg (2009 - 2012)
- Castor 2005: gewalttätige BFE aus Blumberg prügelt auf
DemonstrantInnen ein
- Es ist dein prozess also führe ihn (Castor 06)
2007 - gewalttätige BFE aus
Blumberg prügelt auf DemonstrantInnen ein (Castor 2005)
Atomkraft
und die politische Justiz Castor-Widerstand
erneut vor Gericht ? Polizeigewalt weiterhin vertuscht und
verharmlost
Am 21. November 2005
gelang es
einer deutsch-französischen Aktionsgruppe, an der Bahnstrecke
bei Eichdorf kurz vor der Castordurchfahrt auf die Gleise zu kommen.
Das Festketten an die Gleise scheiterte jedoch. Die Räumung
durch die zeitgleich vor Ort eingetroffene 2. Blumberger
Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft der Polizei verlief
extrem gewaltsam. Dabei wurden mehrere AktivistInnen verletzt. Ein
Franzose wurde so schwer verletzt, dass ihm in Folge dessen 3
Zähne
entfernt werden mussten. (1)
Die Beteiligten
erstatteten
daraufhin Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung in Amt
gegen die Polizei. Aber die für die Ermittlungen zuständigen
Beamten von der EG-Castor ( Sonder-Ermittlungsgruppe der Polizei
gegen Atomkraftgegner) ermitteln nicht gegen die Kollegen. Sie
arbeiten viel mehr an der Kriminalisierung der AktivistInnen. Sie
ermittelten ein Jahr lang, wegen Gefährdung des Bahnverkehrs,
Störung öffentlicher Betriebe, gemeinschaftlich versuchte
Nötigung. Die Akte wuchs auf über 1000 Seiten. Sie enthielt
jedoch nicht genügend Anhaltspunkte für eine Straftat. Der
Vorgang wurde der Bundespolizei übergeben. Die AktivistInnen
erhielten jetzt wegen Ordnungswidrigkeit Bußgeldbescheide
(Verstoß gegen Eisenbahn- und Betriebsordnung ? Betreten der
Bahnanlage) in Höhe von bis zu 275 Euro.
Am 30. Oktober
stand zunächst eine französische Aktivistin vorm
Amtsgericht Hannover. Die Täter in Uniform müssen dagegen
keine Gerichtsverhandlung gegen sie fürchten. Die von der Presse
mit Fotos gut dokumentierten schwere Misshandlungen bleiben
folgenlos. Die Staatsanwaltschaft stellte nämlich die
Strafverfahren gegen die beteiligten Polizisten (darunter der
Führer
der 2. BFHu) ein. (2)
Die Ordnungshüter
zeigten anläßlich der Verhandlung am
30. Oktober ein mal mehr, wie
sie Grundrechte mit Füßen treten. Als ein Dutzend
UnterstützerInnen sich vor dem Amtsgericht versammelten und die
Passanten mit Transparent, Flyern und Kreidesprüchen auf das
Verfahren aufmerksam machten, griffen Zivilbeamte willkürlich in
das Geschehen ein. Uniformierte KollegInnen eilten nach. Personalien
wurden festgestellt, mit der Begründung es handele sich um die
Abhaltung einer verbotenen Versammlung, was eine Straftat sei. Dabei
missachtete die Polizei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit,
ähnlich wie es bei Castortransporten vorkommt, eben! Auch eine
nicht angemeldete Versammlung muß rechtsmäßig
aufgelöst werden. Was in diesem Fall nicht geschah. Genauso wie
bei den Ereignissen, die wenigen Minuten später Gegenstand der
Verhandlung vor Gericht waren. Die Polizei erteilte noch
rechtswidrige Platzverweise. Die Beschuldigte kassierte nämlich
einen Platzverweis für das Amtsgericht, also für die eigene
Verhandlung!
Die Gruppe betrat
letztendlich das
Gerichtssaal, begleitet vom einem dutzend Justizbeamten. Die
Hälfte
davon erhielt eine 3-stündige Lektion über Atomkraft.
Kaum hatte Richter
Neebuhr die
Verhandlung eröffnet, brachte eine Gerichtsmitarbeiterin einen
Stapel Papier zum Richtertisch. Es handelte sich dabei um
Solidaritätsbekundungen aus verschiedenen Ländern.
Denn es ging
tatsächlich darum: Um
die Bedeutung von internationalem Widerstand. Was die Betroffene in
ihrer einstündigen politischen Einlassung deutlich machte.
Sie griff die
internationale
Verflechtung der Atomindustrie auf, mit konkreten Beispielen zu
vergangenen und aktuellen Atomgeschäften ? und zum notwendigen
Widerstand dagegen. Nicht ohne bewegende Worte zu Sébastien
Briat.
An dieser Stelle sei
auf einen Artikel
zur vergangenen und aktuellen Atompolitik
Frankreichs hingewiesen.
Die Beweisaufnahme
dauerte noch
anderthalb Stunde. Es wurde zunächst die Zeugenvernehmung eines
verantwortlichen der GNS beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass es
sich um gerechtfertigter Notstand handele. Der Zeuge würde
nämlich bekunden, dass die Castoren unter bestimmten Bedingungen
getestet werden (9-Meter Sturz, Flache Aufprall-Fläche, ...),
die nicht der realen Bedingungen entsprechen. Der Antrag wurde -wie
zu erwarten-
abgelehnt. Der Zeuge wurde rein gerufen.
Eine Zeugenbefragung
kann durchaus Spaß
machen. Es kommt sonst ja nicht so oft vor, dass Polizisten auf
Fragen von AktivistInnen antworten müssen. Der Zeuge versuchte
die Fragen auszuweichen. ?Muss ich wirklich antworten?? fragte er
dem Richter, als er nach seinem Gewicht gefragt wurde. Die Frage war
aber ernst gemeint. Der Zeuge behauptete nämlich, die Betroffene
hätte Widerstand geleistet. Was bei der Festsetzung des
Bußgeldbescheides von Bedeutung war . Die Presse-Bilder, mit
dem der Zeuge Konfrontiert wurde, konnten die Widerstandsvorwürfe
etwas entkräften. Auf den Bildern sind zwei Polizisten zu sehen,
die der Aktivistin die Arme verdrehen und Mund und Nase zu halten.
Bei der
Zeugenbefragung konnte
desweiteren nicht geklärt werden, ob die Ankettvorrichtung, die
die Betroffene am Arm trug, eine echte oder eine Attrappe war. Auf
den Bildern war nämlich ein Plastikrohr zu erkennen. Ob dieses
Rohr für eine Ankettaktion geeignet war?
Der zweite vorgeladene
Zeuge erschien
nicht zum Termin. Was einfach zur Kenntnis genommen wurde, weil zur
Aufklärung der Sachlage nicht wesentlich, so der Richter.
Die Betroffene stellte
noch eine Reihe
von Anträgen, die alle vom Richter besonders arrogant abgelehnt
wurden.
Mit ihrer Anträgen
wollte die
Aktivistin sowohl auf die Polizeigewalt als auch auf die politische
Justiz aufmerksam machen.
Sie beantragte die
Inaugescheinnahme
des Polizeivideos so wie von weiteren Presse-Bildern. Damit wollte
sie beweisen, dass die Gewalt von der Polizei ausging. Was u.a. zu
den Schweren Verletzungen eines französischen Aktivisten
führte.
Das Verfahren gegen die Beteiligten Polizisten wurde eingestellt. Was
der eigentliche Skandal ist. Denn es gibt dazu viele Beweisfotos und
der Einheitsführer hat selber zugegeben, er habe den Aktivisten
ins Gesicht getreten. Aber das sei laut Staatsanwaltschaft doch nicht
absichtlich gewesen...
Die Beweisaufnahme
wurde daraufhin
geschlossen. Die Staatsanwaltschaft plädierte auf 250 Euro
Bußgeld. Sie machte jedoch einen schüchternen Eindruck.
Der Beschuldigte wurde
sodann das
letzte Wort erteilt. Eine Pause zur Vorbereitung ihrer Plädoyer
wurde ihr verweigert. Sie verzichtete jedoch auf einen
Befangenheitsantrag und fasste ihre Beweggründe und die
Ergebnisse der Beweisaufnahme kurz zusammen. Sie erklärte, sie
plädierte nicht auf Freispruch, ihr sei ja Bewusst, dass das
Gericht den rechtfertigender Notstand nicht erkenne. Sie verlangte
viel mehr das Absehen einer Straffe auf Grund von Polizeigewalt und
-willkür: ein Urteil käme einer Doppelbestrafung gleich,
denn sie sei damals ja schon von der Polizei verletzt und bestraft
(rechtswidrige Ingewahrsamnahme) worden.
In Ihrem Schlußwort
griff sie das
(Justiz)-system und die Kriminalisierung von AtomkraftgegnerInnen mit
scharfen Worten an: Gesetze können eine gesellschaftliche
Auseinandersetzung nicht lösen. Vor allem nicht mit Gesetzen,
die vor Entstehung dieser erlassen wurden (Die EBO ist ja älter
als die Atomkraft).
Die Aktivistin
weigerte sich
anschließend bei ?im Name des Volkes? aufzustehen... Von
wem ist es denn die Rede?
Der Richter
verurteilte sie zu einem
Bußgeld in Höhe von 150 Euro. Was schon erstaunlich ist,
weil Richter Neebuhr die Bußgelder sonst gerne erhöht.
Dabei habe er das Einkommen der Betroffene berücksichtigt.
Ferner wurde zwar gemeinschaftlich gehandelt, es sei ihr aber keine
führende Rolle nachgewiesen worden (das mit der
Ankettvorrichtung...). Die Polizeigewalt sei ansonsten gerechtfertigt
und in Kauf zu nehmen, wenn man gegen Gesetze verstoße, so der
Richter.
Es bleibt anzumerken,
dass es sich um
eine Art Muster-Verfahren handelte. Es ging vor allem darum, das
politische an diesem Verfahren in die Öffentlichkeit zu tragen
und Sand ins Getriebe der Justiz zu bringen. Mehrere Beteiligten
haben in der Tat Bußgeldbescheide bekommen. In einem Fall wurde
das verfahren von der Richterin Busch eingestellt, weil der
Betroffene nicht auf der Schiene war. Die anderen Beteiligten haben
ihre Widersprüche zurückgenommen, um die Verfahrenskosten
nicht explodieren zu lassen. Sinnvoller ist nämlich Energie (und
Geld) für zukünftige Aktionen zu behalten!
(1)
Siehe Erklärung von der Gruppe Linda so wie weitere
Zeugenberichte (unten)
(2)
Siehe Pressemitteilung der BI Lüchow-Dannenberg : Schwere
Mißhandlung folgenlos? http://www.bi-luechow-dannenberg.de/2presse.html
-
Harte Vorwürfe gegen
die Polizei (Castor
2005)
Beim Castortransport 2005 wurde
eine 23-Köpfige Gruppe von der
Polizei Rabiat
geräumt, ein Aktivist wurde schwer verletzt. Die AktivistInnen
haben
Strafanzeige wegen Körperverletzung in Amt erstattet. Das
Verfahren wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Wenn die
Verbrecher Staatsdiener in Uniform sind...
Die Beteiligten wurden
hingegen wegen "Störung öffentlicher
Betriebe" angezeigt, die Akte umfasst über 1000 Seiten! Das
Strafverfahren wurde in April 2007 eingestellt. Die Bundespolizei
verschickte aber Bußgelder in Höhe von bis zu 275 Euro.
Einspruch wurde eingelegt. Und es kam zu
Verhandlungen vor dem Amtsgericht Hannover
Zum Geschehen, der damalige Bericht
der Gruppe "Linda Bleibt" (Quelle aaa):
Am
21.
November 2005 fand bei Eichdorf
eine direkte
deutsch-französische Aktion statt. Uns gelang es, kurz vor dem
Castor
noch auf die Gleise zu kommen. 4 Personen versuchten sich an die
Schiene festzuketten. Diese Aktion wurde brutal von der Polizei
verhindert. Dabei wurde ein französischer Aktivist schwer
verletzt.
Mehrere Polizisten malträtierten den auf dem Boden liegenden,
dabei
wurde ihm u.a. ins Gesicht getreten, was zur Folge hatte, dass ein Zahn
gebrochen ist. Die Polizei wollte ihn zunächst zur GeSa nach
Lüchow
bringen, nur durch massiven Druck der Sanitäterinnen "durfte" der
Verletzte ins Krankenhaus nach Lüneburg.
Dort
wurde er nicht behandelt, weil er keinen
Ausweis und kein Geld dabei hatte. Die Polizei hatte diesen nach
Lüchow
mitgenommen.
Der
Rest der Gruppe wurde ebenfalls rabiat von
den Schienen geräumt und gefesselt, um den Castor durch rollen
lassen
zu können. Für 2 Stunden wurden die Gruppe auf einem Feld
eingekesselt
und sollte nach der Personalienfeststellung entlassen werden. Wie so
oft, veränderte sich die Befehlslage und alle Betroffenen wurden
in
Gewahrsam genommen, die bis zu neun Stunden andauerte.
Die
Ingewahrsamnahme wurde später vom Richter
als rechtswidrig eingestuft, weil die Versammlung nicht aufgelöst
wurde. Wir hatten schon vor Ort die Polizei auf die (Un)Rechtslage
hingewiesen, was sie aber geflissentlich missachtete.
Dies
lassen wir uns nicht gefallen und werden entsprechend auf diese
polizeiliche Willkür antworten!
Dass
Deutsche und Franzosen gemeinsam gegen die
Atommafia kämpfen, ist umso wichtiger, weil Atompolitik weltweit
betrieben wird. Die Entsorgungsfrage bleibt ohne Lösung.
Atommüll wird
hin und her geschickt, weil keine(r) ihn haben will. Wir glauben nicht
an den versprochenen Atomausstieg, wenn der Weiterbetrieb von AKWs
gefördert wird: Die Urananreicherungsanlage Gronau wird erweitert,
und
Brennelemente werden nach Frankreich geliefert, das "abgereicherte"
Uran wird nach Russland verschifft. Deutschland kauft Atomstrom aus
Frankreich. Neubaupläne werden unterstützt: Siemens ist mit
34 % am
Reaktorbau Typ EPR beteiligt.
Wir
haben uns bewusst für diese Aktionsform
(Lock-on-Aktion) entschieden. Sie ist gewaltfrei, ganz im Gegensatz zu
der Gewalt, die vom Staat ausgeht. Der (Atom)Staat und die Lobby
missachten unser Recht auf Leben, sei es durch den alltäglichen
Betrieb
von Atomanlagen oder durch Inkaufnahme von Toten und Verletzten bei
Atomtransporten.
Wir
fordern die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit.
Sébastien
wird nicht vergessen.
Auszüge aus
einem Artikel der
Landeszeitung vom 16.01.07 " Schwere Vorwürfe gegen Polizei"
[...]Sie
werfen Polizeibeamten vor, beim Castor-Transport 2005 einen
Kernkraftgegner bei Eichdorf an der Lüneburger Landkreisgrenze
misshandelt und verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg
ermittelt in dem Fall. Doch ihr liegt die Aussage eines Beamten vor:
Der will den Protestler, einen Franzosen, in einem Gerangel "aus
Versehen" ins Gesicht getreten haben. [...] Eine Polizeieinheit aus
Blumberg habe die Menschen abgedrängt. K. sagt, sie habe gesehen, wie
der Franzose neben dem Gleis gelegen habe: "Vier Polizisten saßen auf
ihm drauf und haben ihm mit dem Knie ins Gesicht gestoßen."
Anschließend sei der Mann mit auf dem Rücken gefesselten Händen
vom Gleisbett gezogen worden, sein Gesicht sei blutüberströmt
gewesen.[...] Er ging später zu einer Lüneburger Ärztin. [...] "Das
Verletzungsmuster kann durchaus mit der Verletzungsursache
(Stiefelabsatz) zur Deckung gebracht werden", schreibt die Medizinerin.
[...]
Ein zweites
Attest aus Frankreich bescheinigt dem 23-Jährigen Verletzungen an
den Zähnen und am linken Auge. Der Doktor schrieb den Patienten für
zwei Tage krank.
S.
und K. wundert, dass die Polizei Monate brauchte, um die Beamten
namentlich zu ermitteln, obwohl es Fotos von ihnen gibt, die der
Ermittlungsgruppe Castor
vorliegen. [...]
Oberstaatsanwalt Manfred
Warnecke gibt den Stand der Ermittlungen wieder:
[...]
Er wirft der Zeugin K. zudem vor, bei einer Lichtbildüberprüfung bei
der Polizei nicht ausgesagt zu haben [...] K. wiederum fühlte sich bei
der Befragung unter Druck gesetzt [...] Ihr Verdacht: Sie solle
als Zeugin "unglaubwürdig" gemacht werden.
[...]
Offen bleibt, wie das Verfahren weitergeht. Denn es müssen laut
Warnecke noch weitere Zeugen befragt werden. Denn Videoaufzeichnungen,
die Polizei bei den Demonstrationen eigentlich routinemäßig anfertigt,
lägen zum unmittelbaren Tatgeschehen nicht vor.
Ein als
Leserbrief an die LZ
verschickter Text:
"Das Bild, das zu Ihrem
Artikel erschien, zeigt vier Polizeibeamte auf einer Person sitzend.
Wie
auch auf dem kleinen Bild gut zu erkennen ist, werden die Arme in
verschiedene Richtungen gedreht, auch die Beine sind fixiert - und wo
befindet sich der Kopf?
Wenn
es so wäre, wie der Polizeibeamte behauptete, und er hätte den
Franzosen während der gewaltfreien Protestaktion aus Versehen mit
seinen Stiefel im Gesicht verletzt, stellt sich die Frage, warum sorgte
er nicht dafür, dass seine Kollegen von dem Verletzten abließen und
schnellstmöglich ärztliche Versorgung eintraf? Wäre es so, wie der
Polizist aussagt, läge wohl grob fahrlässiges Verhalten und
unterlassene Hilfeleistung vor.
Wir,
die wir die Situation beobachten und aushalten mussten, können auch im
Nachhinein kein Entgegenkommen, keine Hilfsbereitschaft und kein
Bedauern feststellen. Im Gegenteil fielen Äußerungen von Beamten, die
keinen Zweifel daran ließen, dass auch schwere Verletzungen in Kauf
genommen wurden.
Nach
seiner Misshandlung stand der Mann unter Schock. Im Krankenhaus wurde
er nicht behandelt, da seine Ausweise von der Polizei einbehalten
waren. Auch fehlte ihm das Geld, eine Notversorgung bezahlen zu können,
ein Skandal an sich! Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und seiner
psychischen Verfassung verließ er das Krankenhaus. Bis heute mussten
als Spätfolgen der Tritte ins Gesicht durch den Polizeibeamten drei
Zähne entfernt werden, die im Unterkiefer gebrochen waren. Hier liegt
wohl mindestens schwere Körperverletzung vor und keinesfalls nur ein
?blaues Auge?.
Herr
Oberstaatsanwalt Manfred Warnecke nimmt Stellung zur
Lichtbildüberprüfung, die üblicher Weise angewandt werde, um Täter zu
identifizieren. In diesem Fall ist diese Vorgehensweise überflüssig bis
fragwürdig, denn es gibt Bilder vom Tatort und von den Tätern und
rechtlich ist ein ?wieder erkennendes Wieder erkennen? nicht zulässig.
Weiter
wird der Eindruck erweckt, die Zeugin habe bei der Polizei nicht
ausgesagt. Das ist nicht richtig. Sie hat bereits ausführliche und
eindeutige Aussagen zu dem Geschehen und den Beamten gemacht.
Der
ermittelnde Polizeibeamte von der Ermittlungsgruppe Castor behauptete,
auf den Bildern sei niemand eindeutig zu erkennen und damit auch nicht
zu identifizieren. Erstaunlich ist nur, dass Lichtbildvorlagen mit den
belasteten Beamten erstellt werden konnten.
Auf
einer Internetseite des Bundespolizeipräsidiums Nord zu ?Falsche
Fahndungsplakate sichergestellt? am 3.11.06 * äußert sich der
Lüneburger Polizeipräsident Friedrich Niehörster besorgt darüber, dass
auf den Plakaten, ?die Gesichter von drei Polizeibeamten eindeutig zu
erkennen sind?. So bleibt die berechtigte Frage, welche Interessen bei
der Zeugin K. verfolgt werden.
Allein
die Tatsache, dass die Ermittlungsgruppe Castor sowohl gegen
AtomkraftgegnerInnen als auch gegen die Polizei ermittelt und dadurch
Interessens- und Loyalitätskonflikte bestehen, lässt Zweifel aufkommen,
ob Straftäter innerhalb der Polizei überhaupt ernsthaft verfolgt werden.
Der
ermittelnde Beamte vermochte sich nicht zu der von mir gestellten Frage
äußern, ob er sich seinen Kollegen oder der Wahrheit mehr verpflichtet
fühle.
Die Art
und Weise, wie ermittelt wird, Zeugen verunsichert und unglaubwürdig
gemacht werden, lässt eher den Schluss zu, dass in diesem Fall die
Gewalttäter geschützt werden sollen." G. S.
Es ist Dein Prozess,
also führe
ihn!(1) Polizei-Stalking
gegen Atomkraftgegnerin - Kreative
politische Prozessführung
und 2 Verhandlungstage für ein lächerliches bußgeld!
Lüneburger
Behörde lassen sich einiges einfallen, wenn es darum geht politisch
engagierte Menschen zu kriminalisieren. Und am besten wird eine
besonders engagierte Aktivistin als ?Opfer? ausgewählt. Das kann als
Polizei-Stalking bezeichnet werden.
Eine
französische Aktivistin bekommt dies in Lüneburg immer wieder zu
spüren. Doch sie lässt sich nicht einschüchtern. Im Gegenteil.
Nach
dem skandalösen ?Baumkletter-Urteil? (2) von vergangenem September in
Lüneburg, musste die junge Atomkraftgegnerin dieses Mal nach Hannover
vor Gericht. Der Aktivistin wurde vorgeworfen, die Bahnanlage am 06.
Oktober 2006 betreten zu haben ? was sie vehement zurückweist. Am 6.
Oktober fand nämlich keine Demonstration statt, die Aktivistin wurde
lediglich von Bundespolizisten im Wald angetroffen und anderthalb
Stunde festgehalten, weil sie der EG-Castor ? Ermittlungsgruppe der
Polizei gegen Atomkraftgegner- bekannt ist. 2 Staatsschutz-Beamte kamen
anschließend vorbei, um ?mit ihr zu reden.?
Gegen
den Bußgeldbescheid von der Bundespolizei (25 Euro + 25 Euro Auflagen)
hatte die Betroffene Widerspruch eingelegt, so dass es zur Verhandlung
kam. Die Verhandlung wurde am 25. Juni 07 pünktlich um 14:30 eröffnet.
Die Staatsanwaltschaft war nicht vertreten. Dafür saß ein Vertreter der
Verwaltungsbehörde -also der Bundespolizei- der Angeklagten gegenüber.
Richter Klinkenborg hatte es eilig. Das war ja die letzte Verhandlung
des Tages und sollte -wie alle anderen Verhandlungen- ja nur wenige
Minuten andauern, so seine Vorstellung. Gerichte sind ja ohnehin
?Urteilswerkstatt?: Die Polizei hat -fast- immer recht, Angeklagte
werden in Minutentakt verurteilt.
Chaos im
Gerichtssaal
So
glatt lief es doch nicht an diesem Montag. ?Ich lasse mich nicht
einschüchtern. Ich weiß wofür ich stehe. Das werde ich vor Gericht
ausführlich erklären.? hatte die Betroffene im Vorfeld angekündigt. Der
Richter ließ sie jedoch ihre politische Einlassung nicht mal vorlesen,
der Zeuge wurde gleich rein gelassen. An der Erforschung der Wahrheit
zeigte der Richter vom Anfang an wenig Interesse. Beinahe alle Fragen
wurden von der Angeklagten selbst gestellt. Der Richter hielt ? wie zu
erwarten- den Zeugen trotz klaren Widersprüchen und Unklarheiten für
glaubwürdig. Und als der ?Vertreter der Verwaltungsbehörde? zu Wort
kam, fing dieser gleich an, die Angeklagte zu befragen, worauf sie sich
nicht einließ.
Die
Angeklagte ging stattdessen in die Offensiv und fing an, sämtliche
Beweisanträge (Vorladung eines zweiten Zeuge, Ortsbegehung, ...) zu
stellen. Sie beantragte mehrere Pausen, um ihre Anträge zu formulieren
und sich von FreundInnen beraten zu lassen ? solche Pausen sind
wichtig, wenn Mensch ohne Anwalt vor Gericht steht. Der Richter wollte
Druck aufbauen und genehmigte zunächst jeweils nur 3 knappe Minuten
Pause. Die Anträge wurden alle abgewiesen, unter der Begründung, sie
dienen der Erforschung der Wahrheit nicht. Als der Richter merkte, wie
sich das alles in die Länge zog, verbot ( !!!) er sogar jegliche Pause.
Der Richter wollte somit Druck aufbauen und die
Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten einschränken. Was sie sich
nicht gefallen ließ. Sie stellte schließlich einen Befangenheitsantrag
gegen Richter Klinkenborg. Was dazu führte, dass die Verhandlung -nach
2 Stunden- vertagt wurde.
"Die Amtssprache
ist Deutsch"
Ein
weiterer Punkt trug zur Verwirrung bei. Die Angeklagte hatte auf einen
Dolmetscher bestanden, weil sie sich in ihrer Muttersprache besser
äußern kann. Der Richter nahm aber vom Anfang an keinen Rücksicht auf
die Übersetzung. Er sprach zu schnell und ließ keine Zeit zum
Dolmetschen. Dazu kam, dass die eingesetzte Dolmetscherin keinen
politischen Hintergrund hatte und viel missverstand, was zu einer
katastrophalen Übersetzung führte. Als darauf hingewiesen wurde,
antwortete Richter Klinkenborg prompt: ?die Amtssprache ist Deutsch.?
?Diese
Aussage vom Richter habe ich als rassistisch empfunden. Die Sprache
wurde als Mittel der Ausgrenzung, als Herrschaftsinstrument genutzt.
Gerichte sind sowieso Herrschaftsstrukturen in sich?, erzählt die
Aktivistin. Und sie fährt fort:
?Wie
kann ich mich verteidigen, wenn ich nicht richtig verstehe? Ich habe
das Glück, dass ich doch ziemlich gut Deutsch kann. Aber gegen Ende der
Verhandlung herrschte trotzdem große Verwirrung und ich habe kaum
mitgekriegt, dass ich die erste Etappe ?gewonnen? hatte, dass die
Verhandlung vertagt wurde. Mir ist ganz Bewusst geworden, dass Menschen
die der Sprache nicht mächtig sind, keine Chance auf gerechte
Verteidigung haben.?
Kreative politische
Prozessführung
?Es
ist Dein Prozess also führe ihn!? erklärte schon 1967 Fritz Teufel. Und
es macht tatsächlich Sinn, dem Richter das Verfahren aus der Hand zu
nehmen. Richter und Staatsanwaltschaft müssen sich an einer bestimmten
Form halten, dies kann man als angeklagteR ausnutzen und die Justiz mit
ihren eigenen Regeln bekämpfen: Anträge ohne Ende stellen, zahlreiche
Pausen beantragen, alles protokollieren lassen, unruhige Zuschauer, die
mal weggetragen werden, ewig langer Plädoyer (hier darf der Richter
nicht unterbrechen), etc... Die Anwesenheit von UnterstützerInnen im
Gerichtssaal ist auf jeden Fall ein sehr wichtiger Punkt. (an dieser
Stelle, vielen Dank an alle Anwesenden!)
Der 2.
Verhandlungstermin
Der
Befangenheitsantrag wurde -wie zu erwarten- abgelehnt. Aber die
Verhandlung wurde so lange unterbrochen, dass von vorne rein neu
verhandelt werden musste. Der Termin wurde für den 15. oktober
angesetzt, dem Antrag der Betroffenen auf Fahrtkostenübernahme wurde
stattgegeben. Der Staatsanwalt hielt es dieses mal für nötig zu kommen;
der Staatsschutz setzte sich hin im Publikum. Der Tag fing mit
Kreidemalerei gegen Law und Odner vorm Amtsgericht an, was den
Ordnungshüttern schon gar nicht gefiel. Konfetis mit anti-atom und
anti-autoritären Sprüchen flogen überall rum. Die Polizei stellte
Personalien fest und beschwerte sich direkt beim Richter.
Beim
betreten des Gerichtssaals zeigte sich Richter Klinkenborg vollkommen
anders als zuvor. Ihm war inzwischen klar geworden, dass die
Verhandlung nicht durchführbar war, ohne auf die diversen Anträgen und
Äußerungen der Betroffene einzugehen. Er wollte scheinbar ein zweites
Fiasko und Befangenheitsantrag verhindern. Die Angeklagte durfte ihre
politische Einlassung zum Thema Atomkraft und Kriminalisierung
vortragen, beliebig viele Anträge stellen und Pause machen. Sämltiche
Anträge -wie eine Ortsbegehung, die Ladung von
EG-Castor-Verantwortlichen - wurden wie zu erwarten als unbegründet
zurückgewiesen. Die Zeugen erwiesen sich als schlechte Schauspieler.
Die zwei (ja, zwei Zeugen dieses mal!) Polizisten hatten ihre Aussage
auswendig gelernt und erzählten beinahe Wortgenau das selbe - wie
kleine Kinder, die vor der Klasse rezitieren. An Einzelheiten konnten
sie sich nicht mehr erinnern: "Es ist so lange her" Natürlich zeigte
der Richter Verständnis dafür.
In
ihrem Plädoyer fasste die Aktivistin die Lügen und Widersprüche der
Polizei zusammen. Sie plädierte auf Freispruch, ohne viel vom Gericht
zu erwarten. Ihr war von vorne rein klar, wie der Richter urteilen
würde - was sie auch noch mit einer Herrschaft- und Justizkritik
deutlich machte. Sie amüsierte sich über so einen Aufwand für nichts!
Urteil
"Im
Name des Volkes" Der Spruch kam nach beinahle 4 Stunden Verhandlung.
Richter Klinkenborg sparte sich die Pause nach den Plädoyers und verlaß
sein Urteil aus einem Zettel. Das Urteil hatte er tätsächlich noch vor
Ende der Beweisaufnahme gefertigt... 25 Euro Bußgeld und
Verfahrenskosten (ob diese jemals bezahlt werden...). Die Betroffene
hat einen Antrag auf Zulassung von der Rechtbeschwerde eingereicht -
weil der Richter vor Verlesung des Urteils keine Pause gemacht hat
(Verfahrensfehler können Gegenstand einer Beschwerde sein). Wenn
Rechtsmittel eingelegt wird, muss der richter eine schriftliche
Urteilsbegründung schreiben.
Die
Aktivistin fasst zusammen: " Für mich war das eine richtige
entscheidung, dass Verfahren politisch und offensiv durchzuführen. ich
habe mich dabei wohl gefühlt. Wenn der Staat was von mir haben will,
dann nicht ohne diesen politischen Theater! Das ist für mich wichtig,
weil ich eben immer wieder von Ordnungshüttern schickaniert und
angeklagt werde. Da will ich ja nicht passiv bleiben."
Hintergrund ?
Polizei-Stalking
Diese
Verhandlung ist aber nur der obere Teil vom Eisberg der Repression. Die
Aktivistin wird nämlich immer wieder von der Polizei schikaniert:
Anzeige wegen Baumklettern (2), Einradfahren... Neulich wurde sie wegen
Kreidemalerei festgesetzt:
?Mir
wurden zum Beispiel Kreidestifte beschlagnahmt, unter der Begründung,
es sei im Zusammenhang mit politischem Inhalt strafbar
(Sachbeschädigung). Da ermittelt wahrscheinlich wieder die ?EG-Castor?,
erzählt die Aktivistin.
Vorwürfe
werden ständig konstruiert und dienen der Rechtfertigung weiterer
willkürlichen polizeilichen Maßnahmen. So diente u.a. der Gegenstand
des jetzigen Verfahrens, der Begründung von Maßnahmen ?zu
Gefahrenabwehr? gegen die Betroffene vor dem letzen Castortransport
nach Gorleben: Sie wurde von der Polizei zwei Wochen lang rund um die
Uhr überwacht und am Tag X vom Fahrrad weggerissen und präventiv in
Gewahrsam genommen. (4)
Weitere
Verfahren gegen die Aktivistin sind noch anhängig. Aber sie lässt sich
nicht klein kriegen: ? Angeklagt ist der Widerstand. Solidarität und
Phantasie sind unsere Waffen?.
1. Zitat von Fritz Teufel, 1967 2. Siehe Bericht über die
Verhandlung: http://de.indymedia.org/2006/09/157341.shtml 3. Siehe Bericht
Meinungsäußerung verboten:
http://germany.indymedia.org/2007/04/173938.shtml 4.
15.12.06: Eine Aktivistin bekam folgende Mitteilung seitens des
zentralen Kriminaldienst der Polizei FK4 (politische Abteilung): "Hiermit
teile ich Ihnen gemäß § 30 Abs. 4 Nds. SOG mit, dass über Sie in der
Zeit vom 30.10. - 12.11.2006 personenbezogene Daten mit besonderen
Mitteln oder Methoden im Sinne von §34 Nds. SOG (längerfristige
Observation) i.V.m. § 35 Nds SOG (Verdeckter Einsatz technischer
Mittel) erhoben wurden. Anlass für die Maßnahme waren die zu
erwartenden Aktionen zur Ver-/Behinderung der Fahrt des
Castor-Transportzuges zum Zwischenlager Gorleben. Die Datenerhebung
erfolgt auf Grund einer Anordnung der Polizeiinspektion Lüneburg (...)?