Bleiberecht für alle!

Atomforum auf's Dach

Was sind die Ursachen für Migration? Wie setze ich mich für Geflüchtete ein? Es gibt hier eine Sammelung von Texten, Erfahrungsberichten und Aktionsberichten.

Das Thema gehört in meinen Augen zu Globalisierung und Kapitalismus, denn diese sind u.a. Ursache für Umweltzerstörungen, Kriege (u.a. um Ressourcen), Ungleichverteilung und somit für Flucht und Migration

In Zeiten wo Populisten europaweit ihren Hass gegen Andersdenkende und -aussehende verbreiten, liegt es mir am Herzen zu diesem Thema aktiv zu sein und zu bleiben - auch wenn das Thema nicht zum Schwerpunkt meiner poltischen Arbeit gehört. Ich schaffe es leider nicht auf allen Hochzeiten, wo ich gerne dabei wäre, zu tanzen.

le droit de rester pour touTEs (les réfugiéEs) !

Aktionsberichte

Aktuelle Aktionsberichte sind auf meinem Blog beim Stichwort "Bleiberecht" nachzulesen.

Archiv - 2 Aktionen

Nazis auf's Dach

Protest gegen Naziaufmarsch in Lüneburg 2009 - Am 11. April 2009 konnte ich das Dach des Hauptbahnhofes erobern und die Auftaktkundgebung der Nazis kurzfristig "begleiten". Sehr steil ist das Dach leider nicht, so dass die Polizei es nicht allzu schwer hatte mich zugig zu Räumen.

Protest gegen Naziaufmarsch in Lüneburg 2007 - Kletteraktion von zwei Aktivistinnen führte zur Umleitung des Demozuges der Faschos. Es gibt ein Video:

Aghali, Erzählung über die Absurdität der "Flüchtlingspolitik"

Die aktuellen Berichte sind in meinem Blog. Als Input für diese Seite hier habe ich den Text aus meinem Buch "Kommen Sie da runter" über den Flüchtling Aghali aus dem Niger. Seine Geschichte ist aus einer Zeit vor der son genannten "Flüchtlingskrise" von 2015. Sie verdeutlicht aber die Absurdität des Systems und den staatlichen Rassismus.

Dies ist die Geschichte von Aghali, einem Touareg aus Niger, der aus seiner Hei- mat flüchten musste, weil er sich mit dem weltweit größten Atomkonzern AREVA angelegt hat. In Niger interessiert sich der französische Konzern für die Uranressourcen und begeht Landraub. Die Ironie von Aghalis Schicksal ist, dass der AREVA-Flüchtling im AREVA-Land Frankreich politisches Asyl fand und eine Aufenthalts- genehmigung erhielt.

Wie viele Flüchtlinge hat Aghali Heimweh. Seinen Kampf führt er aber weiter. In Frankreich gründete er den Verein »AREVA ne fera pas la loi au Niger«, auf Deutsch etwa: »Areva wird nicht über Niger bestimmen«. Als er eine Einladung zu einer internationalen Anti-Atom-Konferenz in Österreich bekam, zögerte er nicht mit seiner Zusage. Er wurde Teil einer französischen Delegation nach Salzburg. Er lernte spannende Menschen kennen und erläuterte einem interessierten Publikum die Situation in Niger. Atomkraft tötet schon am Anfang der Atomspirale in den Abbaugebieten. Doch Atomkraft blieb nicht das einzige politische Thema seiner Reise. Auf der Rückfahrt nach Paris durfte er die »Gastfreundschaft« der Rosenheimer Polizei, die gerne Menschen mit dunkler Hautfarbe und atypischer Touareg-Kleidung aus dem Zug holt, kennenlernen. Deutschland zeigte sein rassistisches, ausländerfeindliches Gesicht. Freizügigkeit wird innerhalb Europa gerne großgeschrieben. Das gilt aber nicht für alle Menschen. Waren kommen unabhängig von ihrer Herkunft sogar besser über die Grenzen als Menschen.

Die fünfköpfige Delegation aus Frankreich hatte es sich im Nachtzug nach Paris bequem gemacht, als Bundespolizisten den Zug bestiegen und... Menschen mit dunkler Hautfarbe nach ihren Identitätspapieren fragten. Aghali ahnte noch nichts vom Alptraum der nächsten 24 Stunden, er hatte eine von der französischen Ausländerbehörde erstellte vorläufige Aufenthalts- und Freizügigkeitsgenehmigung. Sogar ein Schreiben der Behörde, das seinen Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bescheinigte, trug er bei sich. Die Behörde hatte ihm mitgeteilt, dass diese zwei Monate später zur Abholung bereitstehen würde. Doch diese Papiere und Aghalis Zugfahrkarte nach Paris – in Deutschland wollte er sich nicht aufhalten, er war nur auf dem Rückweg aus Österreich – reichten den Bundespolizisten nicht. Eine vorläufige Genehmigung sei für die Einreise nach Deutschland nicht ausreichend. Sie erklärten ihm seine vorläufige Festnahme wegen illegaler Einreise nach Deutschland. Seine WegbegleiterInnen protestierten und stiegen aus dem Zug mit aus. Sie seien verpflichtet, Straftaten zu verfolgen, erwiderten die Beamten. Aghali wurde abgeführt, seine FreundInnen blieben vor der Polizeiwache zurück – Aghali verstand nicht, was ihm gerade passierte. Ein Dolmetscher traf erst Stunden später ein. Da waren ihm längst Fingerabdrücke gewaltsam abgenommen worden. Ohne, dass er verstand, was die PolizistInnen von ihm wollten.

Am frühen Morgen wurde er dann dem Amtsgericht Laufen vorgeführt. Die An- hörung erwies sich als eine Farce, es zählte nur der Vortrag der Polizei. Seine Inhaftierung »zur Sicherung seiner Zurückschiebung« nach Frankreich innerhalb von 45 Tagen wurde verkündet. »Bei der Bestimmung der Dauer der Haft wurde auf die Verhältnismäßigkeit geachtet. Die zuständige Behörde hat ihre Bemühungen um eine schleunige Zurückschiebung ausreichend dargetan.« Im Beschluss findet die Tatsache, dass Aghali mit einer gültigen Fahrkarte in einem Zug mit Paris als Ziel aufgegriffen wurde, keinerlei Erwähnung. Auch nicht, dass er im Besitz von einer vorläufigen Aufenthalts- und Freizügigkeitsgenehmigung ist und er bald eine unbefristete Genehmigung erhalten würde. AusländerInnen leben hier als Menschen zweiter Kategorie, weil sie aus dem »falschen« Land stammen. Jahrelang leben abgelehnte AsylbewerberInnen in Deutschland, aber nur geduldet, mit der Befürchtung von heute auf morgen abgeschoben zu werden. Eine soziale und berufliche Integration verhindern menschenunwürdige Gesetze: Geduldete leben meist zwangsweise in Sammelunterkünften, sie dürfen weder arbeiten noch den Landkreis verlassen.

Aghali wurde nach Verkündung des Beschlusses von Amtsrichter Häusler in die Justizvollzugsanstalt Reichenhall eingeliefert; mit der Perspektive, bis zu anderthalb Monate in »Zurückschiebehaft« auf seine Rückreise nach Hause in Frankreich zu warten. Für die Sicherung der »Rückführungskosten« mussten zuvor 500 Euro eingezahlt werden.

Weitere 200 Euro verlangte die Staatsanwaltschaft zur Sicherung des Strafverfahrens wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz.

Aghalis WegbegleiterInnen blieben draußen nicht inaktiv. Sie schalteten Anwälte und Europaabgeordnete ein. Und konnten die Freilassung von Aghali am Abend erreichen. Sie verpflichteten sich bei der Polizei, Aghalis Zurückführung nach Frankreich zu übernehmen und – stiegen 24 Stunden nach Aghalis Verhaftung in den Nachtzug nach Paris ein! In Frankreich angekommen, musste Aghali noch zu den Behörden, um den Nachweis über die erfolgreiche »Zurückschiebung« zu erbringen.

Die gezahlte Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 700 Euro hat Aghali von den deutschen Behörden nie zurückerhalten, obwohl die deutschen Behörden die »Zurückführung« letztlich nicht selbst durchführten und das Strafverfahren später eingestellt wurde. Viel mehr musste Aghali weitere 30 Euro an die Bundespolizei zahlen – zur Bearbeitung seines Antrages auf Aufhebung des gegen ihn im Zuge des Verfahrens um seine Fahrt mit dem Nachtzug verhängten Aufenthaltsverbotes. Aghali besaß inzwischen eine unbefristete Aufenthalts- und Freizügigkeitsgenehmigung. Die deutsche Grenze blieb ihm aber noch lange versperrt, weil die Bundespolizei sich alle Zeit der Welt zur Bearbeitung des Antrages nahm. Eine Einladung nach Berlin, auf einer großen Anti-Atom-Demonstration als Redner aufzutreten, konnte er deswegen nicht wahrnehmen. Um so mehr freute ich mich, als wir uns dann drei Jahre später auf einer internationalen Urankonferenz in Münster trafen und ich seinen Vortrag dolmetschen durfte. Aghali war noch nicht die Lust, seinen politischen Kampf fortzuführen, vergangen. Angst hatte er schon auf seiner Reise nach Deutschland. Das Aufenthaltsverbot war aufgehoben worden, aber ob die Polizeidateien alle aktualisiert wurden? Ob es eine Löschtaste gibt? Kontrollen sind nicht, wie die Polizei immer mal behauptet, »verdachtsunabhängig«, sondern »herkunfts- und aussehensabhängig«. Das ist Rassismus.

Quelle: Aktenzeichen XIV 0168-09 – Amtsgericht Laufen