Das Atomland Lothringen - Bure ist überall!

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Das Thema Atomkraft ist komplex und umfangreich. Ob (Kletter)Aktionen, Recherchereisen und Publikationen oder Kampagnenarbeit: Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt bei den Atomtransporten und der internationalen - insbesondere der deutsch-französischen - Vernetzung.

Auf dieser Seite ist eine Zusammenstallung von Artikeln über das Atomland Lothringen mit seinen zahlreichen Atomanlagen (Atommüllager für schwach radioaktivem Müll, Enlagerprojekt CIGÉO, AKW Cattenom, Atomtransporte, etc.) und den Antiatom-Widerstand zu finden.

  • Zum Atomklo-Projekt Namens Cigéo in Bure gibt es ein Büchlein mit Hintergrundinformationen.Zum PDF des Pixi-Büchleins.
  • Es gibt außerdem einen Aufruf zu Gründung von dezentralen Aktionskomitees - Im Wendland wurde ein solches Komiteee gegründet
  • Es gibt weiter eine Auflistung von möglichen Zielen für denzentrale Aktionen zum Beipsiel in Deutschand.
  • Es gibt aus dem Widerstand gegen Cigéo eine Homepage auf Französisch mit zahlreichen Übersetzungen in anderen Sprachen. Zur Homepage auf Deutsch.
  • Aktuell

    Der Atomstaat erklärt den Widerstand gegen Cigéo zu einer "kriminellen Vereinigung" - Prozesse stehen an. Voraussichtlich am 1.,2. und 3. Juni 2021 vor dem TGI Bar-Le-Duc

    Artikel-Liste

    Atomklo Bure – Ermittlungen wegen « krimineller Vereinigung » beendet, Dezember 2020

    Antiatom-Woche in Bure und die deutsche « Endlagersuche », September 2020

    Der politische Charakter der Repression, Juli 2019

    Erneute Hausdurchsuchungen bei alt-eingesessenen Bewohner_innen, Dezember 2018

    Tarnac, Bure Kafkaeske Repression, September 2018

    Hintergrund-Artikel die Bruchlinien von Cigéo, GWR 428 Artikel April 2018

    CASTOR-Bahn verhindern - Soliaufruf aus Gondrecourt-le-Château, März 2018

    Netzwerk Atomausstieg verurteilt Hausdurchsuchungen, September 2017

    Juli 2017: Kein Bauantrag - aber hohe "Hühner-Präsenz"

    Vielfältiger Widerstand - GWR-Artikel Mai 2017

    Waldbesetzung nach umstrittener Ratssitzung räumungsbedroht

    Die Waldbesetzung ist räumungsbedroht (Mai 2017)

    Der Tausch des Waldes mit der ANDRA war rechtswidrig

    Eindrücke aus dem besetzten Wald "Bois Lejuc", Dezember 2016

    Der Widerstand wächst!

    Die Mauer ist gefallen!

    Vorläufiger Baustopp für das Atomklo!

    Bildergalerie zur Wiederbesetzung

    Wiederbesetzungsdemo in Bure

    Nach der Räumung ist vor der Wiederbesetzung

    Waldbesetzung gegen atomares Endlager dauert an

    Waldbesetzung gegen den atomaren Kahlschlag

    Auf nach Bure gegen den atomaren Kahlschlag!

    Neuer Versuch der Genehmigung eines Endlagers unter dem Deckmantel der Forschung in Bure

    Tödlicher Unfall auf der Baustelle

    Bure - Atomklo für immer?

    Das Atomland Lothringen

    In Gedenken an Sébastien Briat

    la Lorraine, pays nucléarisé - Bure est partout!

    Artikel

    Atomklo Bure – Ermittlungen wegen « krimineller Vereinigung » beendet

    Die Ermittlungen sind beendet (Dezember 2020) Anklageerhebung steht unmittelbar bevor, es ist mit einem Großprozess 2021 zu rechnen. Artikel

    Antiatom-Woche in Bure und die deutsche « Endlagersuche »

    Blog Artikel

    Der politische Charakter der Repression

    Erklärung der Menschenrechtsliga LDH

    Erneute Hausdurchsuchungen bei alt-eingesessenen Bewohner_innen

    Zum Artikel

    Tarnac, Bure Kafkaeske Repression

    Eichhörnchen Artikel aus der Zeitschrift GWR September 2018/431 - Der Artikel ist lang, so dass ich ihn in meinem Blog in 2 Teilen veröffentlicht habe.

    Teil I: Die Affaire Tarnac

    Teil II: Bure, die neue Affaire Tarnac

    Die Bruchlinien von Cigéo

    GWR Artikel vom Eichhörnchen, April 2018

    Der Plan, im französischen Bure ein Atommüll-Endlager einzurichten, stößt auf entschlossenen Widerstand

    Die französische Regierung will in Bure, Lothringen, ein atomares Endlager für hoch- und mittel-radioaktiven Atommüll in tiefen geologischen Schichten errichten. Das Bauvorhaben heißt Cigéo. Die Andra, die staatliche Agentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll, ist Bauherrin. Der Bauantrag soll 2019 gestellt werden. Vorarbeiten haben bereits begonnen, ein Gesetz wurde in Anwesenheit von 20 Abgeordneten verabschiedet. Es regt sich Widerstand dagegen.

    Umweltminister Nicolas Hulot posierte noch 2016 mit einem Plakat gegen Cigéo vor den Kameras. Heute schickt er die Militärpolizei in die Dörfer, um den Widerstand niederschlagen zu lassen. Überwachung, Polizeigewalt, Hausdurchsuchungen, Demonstrationsverbote, Verhaftungen und Prozesse gehören inzwischen zum Alltag der Bevölkerung.

    Vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzungen ist der aktuelle Kampf um den Bois Lejuc. Die Andra startete 2016 überraschend die Bauarbeiten im Wald, obwohl sie dafür weder eine Rodungs- noch eine Baugenehmigung besaß. Die Andra wollte eine vier Kilometer lange und drei Meter hohe Mauer rund um die 221 Hektar Wald errichten, um Bohrungen für die künftigen Luftschächte des Endlagers durchzuführen - abgeschirmt vom Protest der Projektgegner*innen. Die Bauarbeiten ruhen seit dem 1. August 2016 in Folge eines gerichtlich verhängten Baustopps, der Zerstörung des begonnenen Mauerwerks durch Projektgegner*innen und der Besetzung des Waldes (siehe GWR 420). Die Besetzung wurde im Laufe der Zeit größer, es wurden zahlreiche Hütten und Baumhäuser gebaut, die "Eulen" von Bure, wie die Aktivist*innen genannt werden, sind zum Symbol des Widerstandes gegen das atomare Endlager geworden. Die Regierung fürchtete eine dauerhafte Verankerung des direkten Widerstandes. Die Militärpolizei rückte am 22. Februar 2018 mit 500 Mann in den Wald und räumte die Waldbesetzung. Die Eulen geben sich nicht geschlagen. Denn es gibt zahlreiche Gründe, gegen Cigéo zu kämpfen.

    "Déchets nucléaires : Arrêter d'en produire et ne surtout pas enfouir!"

    "Atommüll: Produktionsstopp und vor allem keine tiefe Einlagerung!" Das ist eine Forderung der meisten Atomkraftgegner*innen in Frankreich. Die Einlagerung des Atommülls ist keine Lösung und birgt große Gefahren. Atomkraftgegner*innen sind erst bereit, sich mit den Verantwortlichen über den Verbleib des Atommülls zu unterhalten, wenn die Produktion von Atommüll gestoppt wird und die Auseinandersetzung ernst gemeint ist, die Zivilgesellschaft nicht lediglich fürs Image ins Boot geholt wird.

    Die Regierung betont, sie sei für Gespräche mit den "legalen" Projektgegner*innen offen. Von offenen Gesprächen kann aber keine Rede sein, da für den Staat der Standort Bure nicht zur Debatte steht. Unklar ist außerdem wer die "legalen" Projektgegner*innen denn sind. Die Räumung der Waldbesetzung erfolgte am 22. Februar 2018 ohne Vorwarnung und Rechtsgrundlage. Dabei wurden nicht nur die Wohnungen von Menschen, die in Hütten und Baumhäusern zu Hause waren, zerstört, sondern auch der Verein Eodra (Association des Elus de Lorraine et Champagne-Ardenne Opposés à l'enfouissement des Déchets RAdioactifs) aus dem Wald vertrieben, obwohl dieser eingetragene Verein, der Abgeordnete, gewählte Bürgermeister*innen und Kommunalvertreter*innen gegen Cigéo vereint, im November 2017 seinen Vereinssitz offiziell in den Wald verlegt hatte.

    Die Projektgegner*innen lassen sich nicht in gute "legale" und böse "illegale" Gegner*innen spalten. Sie bezeichnen die Gesprächsangebote der Regierung als heuchlerisch. Staatssekretär Lecornu hatte die Vereine zu Gesprächen über Cigéo für den 23. Februar eingeladen, wohl wissend, dass am Tag zuvor 500 Militär-Polizisten den Wald gewaltsam räumen würden. Die Vereine sagten das Treffen mit Lecornu nach der Räumung mit einem kämpferischen Offenen Brief ab und mobilisierten statt dessen zu einem lange geplanten Treffen dezentraler Bure-Unterstützungskomitees Anfang März.

    "Bure ist überall"

    Rund 400 Menschen kamen am 3. und 4. März 2018 nach Bure, um sich über die künftige Gestaltung des gemeinsamen Widerstands auszutauschen. Am 16. Juni 2018 soll eine Großdemonstration gegen das Atomklo statt finden. Die dezentralen Unterstützungskomitees wurden im September 2017 nach Hausdurchsuchungen im Widerstandshaus Bure Zone Libre (BZL) und in weiteren Lebensorten von Atomkraftgegner*innen ins Leben gerufen (siehe GWR 422). Nach der Räumung der Waldbesetzung am 22. Februar fanden in ganz Frankreich über 70 Solidaritäts-Kundgebungen vor den Präfekturen statt - mehrheitlich durch dezentrale Unterstützungskomitees organisiert. Damit soll der Parole "Bure ist überall" Rechnung getragen werden. In Deutschland hat sich ein Unterstützungskomitee im Wendland gegründet und es gibt eine bundesweite Mailingliste zum Austausch von Informationen über Bure auf Deutsch, die jede-r abonnieren darf. (1)

    Wachsende Repression

    Die Repression wächst, weil die Regierung die Verankerung eines soliden radikalen Widerstandes (insbesondere den Widerstand durch direkte Aktionen und Besetzungen) verhindern will: Hausdurchsuchungen, Dauerstationierung der Militärpolizei in der Gegend, Überwachung mit Hubschraubern, Straßensperren und -kontrollen, Demonstrationsverbote, Polizeigewalt, Strafprozesse und Knast.

    Der Alltag wird für die Einwohner*innen zunehmend beschwerlich. Bei vielen von ihnen herrscht Resignation. "Die Polizei kontrolliert und überwacht alles, wir haben kein Leben mehr, aber was sollen wir dagegen tun? Sie haben die Waffen, wir haben nur unsere Höfe", erzählt ein älterer Bauer. "Wenn ich zu Hause koche, stehen die Gendarmen vor der Tür und filmen uns. Das gehört inzwischen zu unserem Alltag. Das ist ein seltsames Gefühl, wir sind in einem Dorf mitten im Nirgendwo, werden aber dauerhaft beschattetet und ständig kontrolliert", berichtet ein Aktivist, der seit ein paar Monaten in einem neuen Wohnprojekt in Mandres-en-Barrois wohnt. Drei Häuser wurden in dem 150 Einwohnerdorf abgekauft. Die Menschen bauen bäuerliche landwirtschaftliche Betriebe auf und wollen mit ihrem Wohnprojekt den Widerstand vor Ort dauerhaft unterstützen.

    Robin hat am 15. August 2017 bei einer Demo gegen das Atomklo einen Fuß durch die Explosion einer aus ca. 100 Meter Entfernung kommenden Polizeigranate, verloren. Die Granate verursachte einen ca. 50cm großen Krater im Ackerboden und zerstörte Robins solide Leder-Wanderschuhe. Der Schuh explodierte und schmolz zum Teil in die offene Fuß-Wunde, er hinterließ Knochenteile im Acker. Die Polizei behinderte die Rettung des Aktivisten durch Rettungssanitäter*innen und drangsalierte den mit Schmerzmitteln vollgepumpten Aktivisten anschließend auf seinem Krankenhausbett mit einem Verhör. Bei der Demonstration gab es mehrere durch Polizeigranaten schwer verletzte Demonstrant*innen.

    Anfang 2018 wurde die erste Gefängnisstrafe gegen einen Projektgegner verhängt, der Aktivist soll Widerstand geleistet haben, als er mit Gewalt durch Beamten bei der Durchsuchung des Hauses des Widerstandes aus seinem Bett um sechs Uhr morgens geholt wurde. Andere standen am 13. Februar vor Gericht, sie sollen an der Zerstörung der illegal eingerichteten Mauer der Andra im bois Lejuc beteiligt gewesen sein, das Urteil steht noch aus. Seit der Räumung der Waldbesetzung befinden sich zwei Menschen in U-Haft. Ihnen wird Widerstand vorgeworfen. Sie haben ihre Aburteilung in einem Schnellverfahren, ohne Möglichkeit sich zu verteidigen, abgelehnt und müssen bis zu ihrem Prozess im Gefängnis bleiben. Andere Prozesse stehen an, unter anderem wegen einer "pelle à tarte". Der Tortenheber wurde zusammen mit zwei Opinels und einer Kabeltrommel bei der Kontrolle eines Fahrzeuges im Auto eines Projektgegners beschlagnahmt. Der Vorwurf lautet Verstoß gegen das Waffengesetz.

    Ansporn für den weiteren Widerstand

    Ironie der Geschichte ist, dass die zunehmende Repression in und um Bure den Widerstand erstarken lässt und in ganz Frankreich bekannt gemacht hat. Es werden immer mehr dezentrale Unterstützungskomitees gegründet. Die Aktivist*innen ließen sich weder durch die Räumung der Waldbesetzung noch durch die willkürlichen Verfügungen der Präfektur für das Wochenende vom 3. und 4. März beeindrucken.

    Unbeugsame Eulen hatten schon am Tag nach der Räumung der Waldbesetzung einige Bäume wieder besetzt. Einige Aktivist*innen wurden erneut geräumt. Das Katz- und Maus-Spiel kann noch lange dauern. Die Aktivist*innen freuen sich über Sachspenden für die Besetzung (Kletterausrüstung, Kocher, Decken, etc.)

    Die Präfektur verfügte für das Wochenende vom 3. und 4. März ein vollständiges Demonstrationsverbot. Straßensperrungen sowie Park- und Fahrverbote wurden erlassen. Die Polizei durfte nach Lust und Laune Personalien feststellen. Die Demonstrationsverbote wurden durch die Präfektur damit begründet, dass Atomkraftgegner*innen sich treffen wollten, um über den Widerstand gegen Cigéo zu beraten. Außerdem sei mit gewalttätigen Demonstrant*innen zu rechnen. Etwa 400 "Eulen" (viele Demonstrant*innen trugen eine Eulenmaske) machten sich trotz Verbot auf dem Weg zum bois Lejuc mit dem Ziel, eine Dauermahnwache am Waldrand auf einem Privatgrundstück zu errichten. "Hulot m'a radicalisée", stand auf dem Front-Transparent: "Umweltminister Hulot hat mich radikalisiert". Die Menschen näherten sich dem Wald, konnten ihre Mahnwache aufgrund des Dauerbeschusses mit Tränengasgranaten durch die Polizei allerdings nicht errichten. Sie machten sich nach zwei Stunden auf den Weg nach Mandres-en-Barrois, wo die Debatten der Unterstützungskomitees organisiert wurden. Am Tag darauf wurde jede auch nur kleine Ansammlung im Dorf mit einer Salve Tränengas bis in die Privatgärten aufgelöst. Die Eulen geben nicht auf, die Mahnwache soll zu einem späteren Zeitpunkt errichtet werden.

    Die jüngsten Ereignisse haben Bure und das Thema Atommüll in die Schlagzeilen gebracht. Mit dem positiven Effekt, dass auch über die Hintergründe und die Kritik am Vorhaben der Regierung berichtet wurde. Dies kommt im Atomland Frankreich selten vor und ist der langjährigen Arbeit von Bürgerinitiativen zu verdanken. Sie leisten nicht nur Widerstand auf der Straße, sondern setzen sich auch mit dem Projekt Cigéo und seine Gefahren auseinander. Seit über 20 Jahren geben sie Studien in Auftrag, veröffentlichen Analysen und Berichte, organisieren Konferenzen mit kritischen Wissenschaftler*innen. Sie decken die schleichende Atomifizierung der Region auf sowie die Machenschaften der Regierenden, die mit Geldsegen und Stimmungsmache Akzeptanz für das Endlager schaffen wollen.

    Schleichende Niederlassung der Atomlobby

    Die Andra arbeitet bereits seit 25 Jahren daran, Akzeptanz für ein Endlager in Bure zu schaffen. Die Gegend ist strukturschwach und dünn besiedelt. Die Bevölkerungsdichte im Dreieck St. Dizier, Nancy und Chaumont mit Bure in der Mitte liegt bei sechs Einwohner*innen pro km². Zahlreiche Politiker*innen ließen sich von den Geldern des Investitionsfonds GIP (Gruppement d'Intérêt Public) locken. Die Produzenten von Atommüll zahlen in einen Fond ein, der Kommunen, die Teile des Cigéo-Projektes werden, für ihre wirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung steht. Derzeit erhalten die betroffenen Départements Meuse und Haute Marne jeweils 30 Millionen Euro jährlich. Die Kommunen in einem Umkreis von zehn Kilometern erhalten zudem durchschnittlich 500 Euro Pro Einwohner*in und Jahr. (2) Die Dörfer in der Umgebung haben somit schöne Fassaden. Das Dorf Bure zählt ca. 90 Einwohner*innen und verfügt über ein überdimensioniertes Gemeindehaus sowie auffällige neue Hightech-Straßenlaternen.

    Die Atomlobby lässt sich in der Gegend mit diversen Anlagen im Zusammenhang mit Cigéo schleichend nieder. Dazu zählen ein riesiges Gebäude für das industrielle Archiv des staatlichen Stromkonzerns Edf, eins für das Archiv von AREVA (seit Anfang 2018 in Orano und Framatome ungenannt), mehre Standorte für die Wartung von AKW-Bauteilen, ein Umschlagplatz für AKW-Bauteile und AKW-Brennstoff in Void-Vacon (siehe GWR 391). Neue Lehrgänge, u.a. in Zusammenarbeit mit AREVA wurden in Schulen eingeführt. Geplant ist weiter die Niederlassung einer "Blanchisserie". Dort sollen künftig die verstrahlten Arbeitskleidungen der Arbeiter*innen der 58 französischen Atomreaktoren dekontaminiert werden.

    Zum Bauvorhaben Cigéo gehören auch zahlreiche Bauwerke, Lagerplätze sowie eine 15 Kilometer lange Castor-Bahn samt Umschlagbahnhof an der Erdoberfläche. Auf der weltweiten atomaren Messe in Paris 2015 stellte die Atomlobby eine Karte mit einem großen Kreis von 80 Kilometer Durchmesser vor. Das ist die Fläche, die Cigéo in Anspruch nehmen soll. Die Gegner*innen nennen dies die "Atomifizierung" der Gegend.

    Ein paar Zahlen zu Cigéo

    An dieser Stelle seien ein paar Zahlen genannt, um eine ungefähre Vorstellung des gigantischen Ausmaßes des Vorhabens zu bekommen.

    80.000m³ Atommüll sollen eingelagert werden. Das entspricht 3% des bis heute produzierten Atommüllvolumens und 99% der Radioaktivität. Bei dem Müll, der eingelagert werden soll, handelt es sich um mittel- und hochradioaktiven Abfall. Besonders problematisch sind die 74.370 bitumierten Atommüll-Fässer (18% des Volumens), die das Brandrisiko erheblich beeinflussen

    Das Lager soll 100 bis 120 Jahre lang betrieben werden. Das entspricht 100 Castortransporte à 10 Castoren 100 Jahre lang, im Durchschnitt wird alle 80 Minuten ein LKW runter fahren. Danach wird es für immer verschlossen. Allein für den Castoren-Umschlagplatz und die "Descendrie" (Zugänge zum Lager) ist eine Fläche von 110 Hektar vorgesehen. Die Installationen auf der Erdoberfläche im direkten Zusammenhang mit der Einlagerung sollen 680 Hektar in Anspruch nehmen.

    Der Müll soll in 500 Meter Tiefe in einer wasserhaltigen Tonschicht des Callovo-Oxfordien eingelagert werden. Dem unabhängigen Geologen Antoine Godinot zu Folge besteht diese Schicht jedoch mehr aus Kalkstein als aus Tonstein. Sie ist instabil, wie der tödliche Unfall im 1999 errichteten "Forschungslabor" der Andra im Januar 2016 zeigte. Ein Arbeiter wurde bei Bohrarbeiten unter einer Tonne Gestein begraben, obwohl die Höhle an der Stelle bereits durch Stahlriemen und lange Bolzen befestigt worden war. Diese Eigenschaften des Gesteins sind problematisch, weil das Entstehen von Rissen beim Graben der Höhlen vorprogrammiert ist und somit die unkontrollierte Verbreitung der Radioaktivität.

    Hinzu kommt, dass das geothermische Potential vernachlässigt wurde. Die Andra negierte es zunächst, bevor sie später nach Veröffentlichung von einer unabhängigen Studie das Potenzial einräumen musste - die Andra behauptet jedoch, das liege nicht direkt unterhalb des geplanten Atommülllagers. Laut Gesetz darf kein Endlager gebaut werden, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass künftige Generationen aus Versehen ins Lager hinein bohren, um an die sich darunter befindlichen Erdressourcen zu gelangen. In Bure wird sich darüber hinweg gesetzt.

    300 Kilometer unterirdische Stollen sollen entstehen. Der Müll wird dann in 100 und 500 Meter lange Höhlen hinein geschoben. Aus finanziellen und Platzgründen wird auf Castorbehälter verzichtet, es ist nicht vorgesehen, dass die verwendeten Container die Radioaktivität von der Umgebung abschirmen. 8 Millionen Kubikmeter Gestein werden dafür ausgeschachtet. Die Befestigung der unterirdischen Gänge erfordert Millionen Tonen Stahl und 275.000m³ Beton.

    Die Regierung hat für Cigéo 25 Milliarden Euro veranschlagt, der Rechnungshof hält dagegen 41 Milliarden Euro für realistisch - ohne Unfall! (2)

    Die geologischen Bruchlinien von Cigéo

    Der unabhängige Wissenschaftler Bertrand Thuillier hat sich mit den Gefahren von Cigéo intensiv beschäftigt. In Konferenzen klärt er Bürger*innen über die Gefahren auf. Nach seiner Auffassung birgt die Einlagerung von Atommüll in tiefen geologischen Formationen grundsätzlich enorme Gefahren. Das Explosions- und Brandrisiko wurde nicht ausreichend berücksichtigt.

    Er bezeichnet Cigéo als eine Hydrogenfabrik. Das Gestein enthält Wasser. Das Wasser fließt nicht, spielt aber eine große Rolle, denn per Radiolyse des Wassers (Einwirkung der ionisierten Strahlung auf das wasserhaltige Gestein) und Korrosion der Fässer entstehen ca. 5000m³ Hydrogen. In einigen Fässern, die organische Materie enthalten, bildet sich auch Hydrogen. Diese können aufgrund des Drucks, der dadurch höher wird, explodieren. Die Geräte und Batterien, die eingesetzt werden sollen, sind auch eine Gefahrenquelle, sie produzieren auch Hydrogen. Das Gas trägt weiter zur Entstehung von Rissen im Gestein bei (hier auch aufgrund des Drucks) und birgt enorme Explosionsgefahren. Bei einer Konzentration von 4% Hydrogen und einer defekten Lüftung kann es schnell zur Explosion kommen.

    Das Brandrisiko ist sehr hoch. Die Höhlen müssen zur Verhinderung von Explosionen mit einer Lüftung ausgestattet werden. Die Kombination von Hydrogen, Sauerstoff, bitumierten Abfällen (entspricht insgesamt 10.000 Tonnen Bitumen) ist aber äußerst ungünstig. Es reicht ein kleiner Funke für eine Katastrophe. Selbst die atomare Aufsichtsbehörde ASN sieht diese Gefahren - sie fordert die Andra dazu auf, ihr Konzept noch vor Beantragung der Baugenehmigung zu verbessern.

    Es ist zu befürchten, dass aufgrund der Länge der Höhlen ein Unfall erst zeitverzögert registriert werden würde. Bei einem Unfall in der Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in New Mexiko (USA) 2014 - bis zu diesem Zeitpunkt durch die Andra als Vorzeigeprojekt für Bure angepriesen -, wo die US-Regierung schwach radioaktiven Atommüll aus militärischen Quellen in 655 Meter Tiefe eingelagert hat, wurde der Unfall erst entdeckt, nachdem Radioaktivität an der Erdoberfläche gemessen wurde. Ein Atommüllfass war nach einer chemischen Reaktion in Brand geraten. Ursache war menschliches Versagen und die Idee Kosten zu sparen, indem in den Höhlen ein Mineralgemisch durch ein organisches Gemisch ersetzt wurde. Arbeiter*innen konnten sich erst nach sieben Wochen der Unfallstelle nähern. Bei einem früheren Unfall, dem Brand eines LKW, der ein Atommüllfass unterirdisch beförderte, wurde die fehlerhafte Verpackung des Mülls als Ursache für den Brand ausgemacht. Aktuell steht die Anlage still, der Betrieb soll 2021 wieder aufgenommen werden. Die Kosten des Unfalls werden auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. Beim WIPP ging es um schwach radioaktivem Müll. Das Problem mit den großen Mengen Hydrogen stellt sich, anders als in Bure, nicht.

    Die Höhlen sollten 10 000 Jahre dicht halten. Sie sind es nach wenigen Jahren nicht mehr, Decken stürzen ab und der Müll ist nach dem Unfall auch nicht mehr rückholbar. Selbst unter besseren Voraussetzungen als in Bure, ereignete sich im WIPP ein Unfall, der laut den Verantwortlichen statistisch gesehen alle 200.000 Jahre vorkommen können soll. (2)

    Unterstützung

    Sowohl der aktive Widerstand auf der Straße als auch Gegenexpertise verlangen den Projektgegner*innen viele Ressourcen ab. Sie freuen sich über Unterstützung. Bure ist überall!

    Geld- und Sachspenden sind eine wichtige Form der Unterstützung (3). Du kannst den Widerstand aber auch durch die Gründung eines Unterstützungskomitees fördern, du kannst dich in die Mailingliste zum Austausch von Informationen auf Deutsch eintragen lassen (1). Solifotos von Infos über Solidaritätsaktionen nach Bure schicken (das wird auf de.vmc.camp veröffentlicht) oder den Widerstand vor Ort persönlich unterstützen, zum Beispiel bei der angekündigten Demo am 16. Juni. (4)

    Du kannst auch bei der bundesweiten Kampagne gegen Atomtransporte mitmachen und dazu beitragen, dass Atommüll verhindert wird, bevor er entsteht. (5)

    Die Autorin dieses Beitrages steht außerdem für einen Vortrag über Bure in deiner Stadt zur Verfügung. (6)

    Anmerkungen

    (1) Siehe vmc.camp (2) Siehe "L'opposition citoyenne au projet Cigéo" sous la direction de Pierre Ginet, Géographe, Edition L'Harmattan, ISBN 978-2-343-11881-9 - Die Zahlen wurden aus dem Buch entnommen, darin sind Beiträge der kritischen Wissenschaftlern Godinot und Thuillier enthalten. Vortrag von Bertrand Thuillier (3) Spendenkonten (4) Infos auf vmc.camp (5) http://urantransport.de/ (6) Vortragsanfrage, siehe Infos hier

    März 2018, CASTOR-Bahn verhindern - Soliaufruf aus Gondrecourt-le-Château

    Die CASTOR-Bahn mit einem Widerstandshaus verhindern!

    Cigéo ist nicht nur ein gigantisches Loch in 500 Meter Tiefe. Eine riesige Infrastruktur gehört dazu. Darunter eine „CASTOR-Bahn“. Eine neue Bahnstrecke und ein Bahnhof sollen für die 2 CASTOR-Transporte pro Woche 100 Jahre lang gebaut werden. Die künftige Trasse soll über Gondrecourt-le-Château führen. Der Bürgermeister dieser Stadt ist ein Befürworter des Atomklos. Der Widerstand ist dort aber auch gut verankert.

    Die „habitants vigilants“ (aufmerksame Einwohner) wollen ein Haus kaufen, das sich direkt an der künftigen CASTOR-Strecke befindet. Das Haus wird dem Vorhaben der ANDRA, der Bauherrin, im Wege stehen, wenn der Hauskauf gelingt! Das Haus wäre zugleich ein Haus des Widerstandes. Ein logistisches Zentrum und Infopunkt zugleich. Ähnlich wie das Haus des Widerstandes BZL in Bure selbst, das 2004 gekauft wurde und heute eine wichtige Rolle für den Widerstand vor Ort spielt. Zur Vorstellung des Projektes

    Der Verein „habitants vigilants“ benötigt 40 000 Euro für den Hauskauf. Unterstützt den Widerstand mit einer Spende: Wie es geht, ist hier erläutert

    Netzwerk Atomausstieg verurteilt Hausdurchsuchungen, September 2017

    Das Netzwerk für den Atomausstieg « Sortir du nucléaire » verurteilt entschieden die laufende Durchsuchung des Widerstandshauses « Maison de la Resistance » in Bure, des Bahnhofs von Luméville und des Wohnsitzes mehrerer UmweltaktivistInnen

    Nachdem sie die Tür mit einer Brechstange aufgebrochen haben, sind heute morgen gegen 6 Uhr 20 ca. vierzig Gendarmen in das Widerstandszentrum eingedrungen. Außerdem haben sie Scheiben der Autos und Wohnwagen rings um das Zentrum zerschlagen. Ungefähr 15 Gendarmen sollen am stillgelegten Bahnhof Luméville (derzeit bewohnt von MitstreiterInnen) anwesend sein. Der Wohnsitz eines anderen Umweltaktivisten in Commercy wurde ebenfalls durchsucht, wobei sein Komputermaterial beschlagnahmt wurde. Während die Mobilisierung gegen CIGÉO zunimmt, während inzwischen offizielle Organisationen das Projekt für seine Risiken kritisieren, findet die Obrigkeit keine andere Antwort, als die Umweltaktivisten niederzuschlagen und zu kriminalisieren !

    Diese Durchsuchung folgt auf mehrere Monate ständiger Polizeischikane in den Dörfern in der Umgebung von Bure, mit unaufhörlichen Streifenfahrten der Gendarmeriewagen und Hubschrauberrunden, sowie täglich mehrfachen Identitätskontrollen der AktivistInnen wie auch der Bauern. Vor einigen Tagen wurde sogar ein ansässiger 18-jähriger Jugendlicher von einer Zivilstreife festgenommen und in Handschellen abgeführt!

    Das Netzwerk « Sortir du nucléaire » prangert diese unannehmbaren Methoden entschieden an und verurteilt die Eskalade dieser Strategie der Spannung. Anstatt dieses gefährliche und aufgezwungene Projekt, das gegenwärtige und künftige Generationen gefährdet, aufzugeben, verbeißt sich der Staat auf schändliche Weise in die Verfolgung der Gegner.

    Das Netzwerk “Sortir du nucléaire“ ruft zur Veranstaltung von Unterstützungskundgebungen vor den Präfekturgebäuden auf.

    Juli 2017: Kein Bauantrag - aber hohe "Hühner-Präsenz"

    Eine Wiederaufnahme der Bauarbeiten ist derzeit nicht zu erwarten. Die ANDRA hat mehrere Schlappen vor Gericht erlitten. Der Baustopp wurde in der Berufungsinstanz bestätigt. Die Umweltbehörde, die zunächst eine Rodungsgenehmigung erteilt hatte, musste zurück rudern. Das Areal gilt als Naturschutzgebiet „Zone Naturelle d’Intérêt Écologique, Faunistique et Floristique (ZNIEFF)“ weil dort seltene Pflanzen und Tiere (Fledermäuse, wilde Katzen, etc.) leben. Das Netzwerk Sortir du nucléaire hat die Entscheidung der Behörde angefochten. Das Ergebnis wurde am 28. Juni 2017 verkündet: Keine Rodungsgenehmigung ohne vorige Umweltverträglichkeitsprüfung!(Link auf Französisch) Die ANDRA muss ihren Antrag neu formulieren und stellen.

    Das Projekt Cigéo selbst wurde vor einem Jahr durch die Assemblée Nationale in Anwesenheit von 20 Abgeordneten gebilligt. (Link auf Französisch) Ein Gesetz zu Cigéo wurde bereits ein Jahr zuvor im Rahmen des Gesetzes zum Wirtschaftswachstum vom damaligen Wirtschaftsminister und heutigen Präsidenten Macron verabschiedet. Das französische Verfassungsgericht kassierte den Absatz zu Cigéo, weil er mit Wirtschaftswachstum so gut wie gar nichts zu tun hat. Ein neues eigenständiges Gesetz musste her. Geregelt wird darin die „Réversibilité“ der Lagerung also die Rückholbarkeit – für lediglich ca. 100 Jahren.

    Für das Cigéo-Projekt selbst hat die ANDRA noch keinen Bauantrag gestellt. Jüngsten Meldungen zur Folge verzögert sich die Antragstellung um ein Jahr, weil das IRSN (Institut für Strahlenschutz und atomare Sicherheit), dem die ANDRA ihr Konzept unterbreitet hat, Sicherheitsbedenken formuliert hat. Das Überwachungskonzept ist fehlerhaft, die Rückholbarkeit nicht sichergestellt und die Brandgefahr wurde unterschätzt – insbesondere bei der geplanten Lagerung von bitumhaltigem Atommüll. Der Bauantrag wird nun für 2019 – frühestens – erwartet. (Mitteilung von Sortir du nucléaire auf Französisch dazu) Ein weiterer Streit droht zu eskalieren: Das Gebiet wurde 2016 auf archäologisch wertvollen Gegenstände untersucht. Die Archäologen wurden fündig (Artikel in der Lokalzeitung auf Französisch). Sie haben u.a. eine Festung aus dem Neolithikum entdeckt. Den Standort dürfen sie aber nicht weiter untersuchen. Die Archäologen haben eine Petition gestartet.

    Auch wenn mit einer baldigen Wiederaufnahme der Bauarbeiten nicht zu rechnen ist: die Militarisierung der Gegend um Bure nimmt zu. Eine Gruppe Namens IRSN – OP (Intervention Ridicule de Sauvegarde Naturaliste – Pour l’Observation des Poulets = Lächerliche Intervention für den Schutz durch Naturforscher – für die Beobachtung von Hühnern ; die „Bullen“ werden in Frankreich „Hühner“ genannt ) in Anspielung auf das Akronym der Strahlenschutzbehörde, hat allein am 22. Juli ein Polizeiauto im Abstand von durchschnittlich 23 Minuten vor dem Widerstandshaus in Bure beobachtet. Die Aktivist*innen lassen sich nicht unterkriegen und finden kreative Wege des Widerstandes gegen das Atomklo und die Unterdrückung.

    Vielfältiger Widerstand

    Eichhörnchen-Artikel aus GWR 420, Sommer 2017

    Im lothringischen Bure kämpfen Atomkraftgegner*innen gegen die Einrichtung eines großflächigen nuklearen Entsorgungszentrums und die Einlagerung von hoch radioaktivem Müll in tiefen geologischen Tonschichten.

    Das Großprojekt wurde CIGÉO getauft und wird von der ANDRA (Nationalagentur für die Entsorgung von radioaktivem Müll) betrieben. Auch wenn das französische Parlament im Juli 2016 beschlossen hat, dass CIGÉO gebaut wird, liegt für das Projekt noch keine Baugenehmigung vor. Das hinderte die ANDRA nicht daran, im Frühjahr 2016 mit Rodungsarbeiten in Mandres en Barrois zu beginnen. Der dortige Wald, genannt Bois Lejuc, ist daraufhin Kristallisationspunkt des seit zwei Jahren stetig wachsenden Widerstandes geworden. Aktivist*innen halten den Wald seit dem Sommer 2016 besetzt.

    Der Winter war geprägt von direkten Aktionen gegen CIGÉO und juristischen Auseinandersetzungen um den Wald. Nach aktuellem Stand ist eine Räumung des besetzten Waldes in den kommenden Wochen nicht unwahrscheinlich. Außerdem führt die ANDRA nun Bauarbeiten an anderer Stelle durch. Vorbereitungsmaßnahme für den Bau der künftigen CASTOR-Bahn sind in die Wege geleitet worden. Künftig sollen 130 Jahre lang zweimal die Woche Castortransporte stattfinden. Die Aktivist*innen freuen sich über Unterstützung.

    Verankerung des Widerstandes

    Das Haus des Widerstandes vom Verein Bure Zone Libre (BZL) ist längst nicht mehr der einzige Ort des Widerstandes in der dünn besiedelten Gegend. Der ehemalige Bahnhof von Luméville, wo es 2015 ein internationales und antikapitalistisches Antiatom-Camp gab, ist inzwischen zu einem festen Stützpunkt mit Zeltmöglichkeiten für Widerständige geworden. Immer mehr Menschen lassen sich dauerhaft in der Gegend nieder und gründen in alten Bauernhöfen politische Hausprojekte. Sie kämpfen gegen CIGEO an, indem sie bäuerliche Landwirtschaft betreiben und Saatgut auf den Flächen der ANDRA anbringen. Tausende Kartoffeln wurden in diesem Jahr gepflanzt. Immer mehr Einwohner*innen trauen sich, ihre Opposition zu CIGEO öffentlich kund zu tun. Ob direkte Aktionen oder Demonstrationen, die Menschen zeigen ihre Entschlossenheit und es herrscht in den Aktionsformen große Vielfalt. Auch wenn hin und wieder Spannungen zu spüren sind, das Zusammenwirken unterschiedlichen Aktionsformen scheint gut zu funktionieren. So gehören Sabotageaktionen gegen Anlagen der ANDRA regelmäßig zum Abschlussprogramm von ansonsten eher bürgerlich geprägten Demonstrationen. Den Abend verbringt man dann gemeinsam mit alternativen Kulturveranstaltungen.

    Kristallisationspunkt des Widerstandes war in diesem Winter vor allem der besetzte Wald von Mandres en Barrois. Boden- und Baumhäuser sind wie Pilze gewachsen. Es wurde regelmäßig zu Kaffee und Kuchen im Wald eingeladen, Wissenstransfer zum Beispiel in Sachen Aktionsklettern wurden angeboten. Eine Gruppe Naturalist*innen ist dort ebenfalls aktiv. Sie sammelt Informationen über seltene Pflanzen und Tiere und will somit den Naturschutz zum Gegenstand diverser Klagen gegen das Bauprojekt machen. Sven, ein skandinavischer Aktivist, hat seinen Wohnsitz im Wald gemeldet. Dies verhinderte über Monate eine Räumung des Waldes, weil die ANDRA einen Räumungstitel vor Gericht einholen musste. Dieser wurde Ende April erteilt. Seitdem ist die Waldbesetzung erneut akut räumungsbedroht. Die Polizeihubschrauber zeigen sich täglich, die Präfektur erlässt Bescheide, die die Polizei dazu ermächtigen, Fahrzeuge und Menschen ohne Begründung zu kontrollieren.

    Repression

    Der Staat setzt außerdem auf Repression gegen einzelne, um den Widerstand zu brechen. Ein Bauer, der im vergangenen Frühjahr seinen Viehwagen für Materialtransporte bei der ersten Baumbesetzung zur Verfügung stellte, stand am 2. Mai vor Gericht. Der Prozess wurde vertagt. Sein Viehwagen bleibt beschlagnahmt. Die Wegnahme von Arbeitsmitteln soll Landwirt*innen davon abhalten, den Widerstand praktisch zu unterstützen. Eine andere Strategie der Justiz ist es, Menschen durch Aufenthaltsverbote vom Protest fern zu halten. In Frankreich werden seit einigen Jahren in Einzelfällen (2015 waren dies ca. 1600 Fälle) Einreiseverbote in bestimmte Departements (kleinere Regionen, Frankreich besteht aus 90) bei der Verkündung von Bewährungsstrafen als Auflage erteilt. Häufig werden diese mit hohen Bewährungsstrafen versehen, um die Hemmschwelle, gegen diese zu verstoßen, zu erhöhen. Der Staat erhofft sich davon eine Einschränkung der Handlungsmacht widerständiger Personen und die Eindämmung sozialer Kämpfe durch räumliche Isolation. Um gegen diese besonders perfide Art der Repression zu protestieren, zogen Ende März 2017 etwa 40 Menschen von Bure aus los, um gemeinsam mit einem vom Einreiseverbot betroffenen Genossen symbolisch die Grenze zum Departement zu überschreiten. Der Aktivist hat aufgrund seiner Beteiligung an Widerstandsaktionen im vergangenen Sommer eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten erhalten. Er darf das Meuse Département zwei Jahre lang nicht betreten und geht mit diesem öffentlichen Verstoß gegen die Auflagen das Risiko einer Verhaftung bewusst ein.

    Juristischer Thriller

    Der juristische Thriller hat auch interessante Aspekte. Auch wenn die ANDRA Ende April einen Räumungstitel gegen die Waldbesetzer*innen erlangen konnte, ist selbst auf juristischer Ebene das letzte Wort nicht gesprochen. Geräumt werden dürfen nämlich nur Flächen, die der ANDRA gehören. Bei dem Bois Lejuc sind die Eigentumsverhältnisse allerdings höchst umstritten. Die Gemeinde von Mandres en Barrois hat ihren Wald mit einem anderen Wald der ANDRA getauscht. Es gehört zur Strategie der ANDRA, ganze Landstriche zu erwerben, um diese dann gegen Flächen, die sie für CIGÉO benötigt, zu tauschen.Verantwortlich für das Tauschgeschäft ist Herr Hance, ein ANDRA-Mitarbeiter, der im Januar 2017 Benzin auf eine durch Demonstrant*innen verteidigte Barrikade im besetzten Wald goss und dabei gefilmt wurde.

    Der Beschluss des Gemeinderates, mit dem die ANDRA das Eigentum über den Wald Bois Lejuc 2015 erlangte, wurde Ende Februar 2017 durch das Verwaltungsgericht auf Grund von Formfehlern für nichtig erklärt. Der Beschluss kam zustande, obwohl die Dorfbewohner*innen sich zwei Jahre zuvor in einem - unverbindlichen - Referendum klar gegen das CIGÉO-Projekt positioniert hatten. Die Gemeinderatssitzung fand - aus Furcht vor Protesten - soweit wie möglich von der Öffentlichkeit abgeschirmt statt. Einwohner*innen klagten gegen den Beschluss und bekamen nun recht.

    Das letzte Wort ist in der Sache noch nicht gesprochen. Das Gericht hat der Gemeinde eine viermonatige Frist zur Behebung der Formfehler gesetzt. Der Bürgermeister, der keinen Hell daraus macht, dass er GIGÉO befürwortet, hatte für den 18. Mai 2017 eine erneute Abstimmung über den Waldtausch angesetzt. Bei vielen Ratsmitgliedern ist ein Interessenkonflikt offensichtlich. Sie selbst oder Familienmitglieder arbeiten für die ANDRA. Oder sie haben ihren Hof der ANDRA verkauft und dürfen ihre Flächen mit Genehmigung der ANDRA weiter bestellen, so lange sie den Mund nicht aufmachen und bis die ANDRA die Fläche für ihr Bauvorhaben tatsächlich in Anspruch nimmt. CIGÉO-Gegner*innen prangerten die Interessenkonflikte an und riefen zu Protesten vor dem Rathaus auf. Ca. einhundert Demonstrant*innen kamen – und genauso viele Gendarmen, die die Straßen um das Rathaus hermetisch absperrten. Es wurden vier Meter hohen Absperrungen eingerichtet. Die Militärpolizei ging mit Schlagstöcken und Tränengas mitten im 120-Einwohner*innen-Dorf gegen die CIGÉO-Gegner*innen vor. Die Ratsmitglieder sprachen sich mit 6 zu 5 Stimmen für den Tausch des Waldes aus. Nun wollen Einwohner*innen erneut gegen die Entscheidung klagen.

    Wem gehört der Wald? Uns!

    Nach Einschätzung der Aktivist*innen vor Ort ist eine zeitnahe Räumung des besetzten Waldes wahrscheinlich.In diesem Fall wird dazu aufgerufen, sich am selben Abend um 18 Uhr vor dem Widerstandshaus in Bure zu versammeln. Menschen, die weiter weg wohnen, sollen vor der Präfektur oder vor dem Konsulat ihren Protest zum Ausdruck bringen. Eine Großdemo soll dann folgen. Dezentrale Aktionen gegen die an CIGEO beteiligten Unternehmen sind ebenfalls erwünscht. Genannt seien an dieser Stelle: Vinci, Eiffage, Edf, Andra, AREVA, CEA.Weitere Widerstandsaktionen sind in Planung. Vom 16. bis zum 26. Juni 2017 wird dazu eingeladen, Widerstandsnester in den Bäumen zu bauen. Für den Sommer wird zum Jahrestag der Fall der Mauer mobilisiert. Nachdem das Verwaltungsgericht im vergangen Sommer die Rodungsarbeiten der ANDRA auf Grund einer fehlenden Rodungsgenehmigung für rechtswidrig erklärt hatte, rissen Aktivist*innen die zum Schutz der Rodungsarbeiten eingerichtete Mauer am 14. August 2016 nieder. Vom 11. bis zum 13. August findet ein Anti-CIGÉO-Festival „Les burelesque“ statt. Am 14. August dann der Abschluss mit einer Demonstration.Kommt nach Bure! Der Widerstand braucht Eure Unterstützung!

    Waldbesetzung nach umstrittener Ratssitzung räumungsbedroht

    Die seit dem vergangenen Sommer andauernde Baumbesetzung gegen ein atomares Klo in tiefen geologischen Schichten Namens CIGÉO in Bure (Lothringen) ist akut räumungsbedroht. Die ANDRA (Nationalagentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll) erhielt ende April vor dem Verwaltungsgericht ein Räumungstitel für den besetzten Wald Bois Lejuc. Das Urteil bezieht sich auf Flächen im Eigentum der ANDRA. Beim Bois Lejuc herrscht jedoch Unklarheit.

    Der Beschluss des Gemeinderates, mit dem die ANDRA das Eigentum über den Wald 2015 erlangte, wurde Ende Februar 2017 durch das Verwaltungsgericht auf Grund von Formfehlern für nichtig erklärt. Der Beschluss kam zustande, obwohl die Dorfbewohner*innen sich zwei Jahre zuvor in einem - unverbindlichen - Referendum klar gegen das CIGÉO-Projekt positioniert hatten.

    Das Gericht setzte der Gemeinde eine viermonatige Frist zur Behebung der Formfehler. Der Bürgermeister, der keinen Hell daraus macht, dass er das Atomklo GIGÉO befürwortet, hatte für den 18. Mai 2017 eine erneute Abstimmung über den Waldtausch angesetzt – obwohl bei vielen Ratsmitgliedern ein Interessenkonflikt offensichtlich ist.

    Sie selbst oder Familienmitglieder arbeiten für die ANDRA. Anderen stellt die ANDRA ganze Felder und Wälder für die Landwirtschaft und die Jagd zur Verfügung – solange sie den Mund nicht aufmachen und die Flächen für die Bauarbeiten nicht benötigt werden. Bei 5 von 11 Ratsmitgliedern ist ein Interessenkonflikt offensichtlich.

    CIGÉO-Gegner*innen riefen zu Protesten vor dem Rathaus auf. Ca. einhundert Demonstrant*innen kamen – und genauso viele Gendarmen, die die Straßen um das Rathaus hermetisch absperrten. Die Militärpolizei ging mit Schlagstöcken und Tränengas mitten im 120-Einwohner*innen-Dorf gegen die CIGÉO-Gegner*innen vor. Die Ratsmitglieder sprachen sich mit 6 zu 5 Stimmen für den Tausch des Waldes aus. Nun wollen Einwohner*innen erneut gegen die Entscheidung klagen. Es wird jedoch befürchtet, dass diese Klagen keine aufschiebende Wirkung haben und der Wald erstmals als Eigentum der ANDRA gilt. Somit ist eine Räumung des besetzten Waldes in den nächsten Wochen wahrscheinlich. Ob Räumung oder nicht, der Widerstand lebt weiter. Am heutigen Samstag beteiligten sich ca. 1000 Menschen an der Marsch der 300 000 Schritte (marche des 300 0000 pas) gegen die Nuklearisierung der Gegend.

    Im Falle einer Räumung des besetzen Waldes wird dazu aufgerufen, sich am selben Abend um 18 Uhr vor dem Widerstandshaus in Bure zu versammeln. Menschen, die weiter weg wohnen, sollen vor der Präfektur oder vor dem Konsulat ihren Protest zum Ausdruck bringen. Eine Großdemo soll dann folgen.

    Dezentrale Aktionen gegen die an CIGEO beteiligten Unternehmen sind ebenfalls erwünscht. Genannt seien an dieser Stelle: Vinci, Eiffage, Edf, Andra, AREVA, CEA.

    Kommt nach Bure! Führt dezentrale Aktionen durch!

    Die Waldbesetzung ist Räumungsbedroht (Mai 2017)

    Am 26. April wurde durch das Gericht „Tribunal de grande instance“ von Bar-le-Duc ein Urteil gegen die Waldbesetzer*innen des Bois Lejuc verkündet. Die ANDRA (Nationalagentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll) hatte einen Besetzer, der seinen Wohnsitz im Wald angemeldet hat, verklagt. Die Waldbesetzung gegen den Bau eines atomaren Lagers in tiefen geologischen Schichten Namens CIGÉO dauert seit dem vergangenen Sommer an. Die ANDRA hatte im Wald von Mandres-en-Barrois Rodungen und Baumaßnahmen durchgeführt, obwohl sie weder über eine Rodungs- noch über eine Baugenehmigung verfügte. Das Gericht hat nun verfügt, dass mit sofortiger Wirkung geräumt werden darf. Die Räumungstitel betrifft alle Flächen, die sich im Eigentum der ANDRA befinden. Man können meinen, die Räumungsverfügung betrifft den besetzten Wald von Mandres-en-Barrois nicht. Ende Februar 2017 wurde der Beschluss des Gemeinderates, mit dem die ANDRA das Eigentum über den Wald Bois Lejuc erlangte, durch das Verwaltungsgericht für nichtig erklärt. Die Polizeipräsenz und die Machenschaften der Behörden vor Ort deuten jedoch auf einen kurz bevorstehenden Polizeieinsatz hin. Die CIGEO-Gegner*innen freuen sich über Unterstützung vor Ort und oder aus der Fern.

    Es scheint so zu sein, dass die ANDRA Aktivist*innen aus einem Wald räumen lassen will, der ihr gar nicht gehört. Das Verwaltungsgericht hat ende Februar 2017 den Beschluss des Gemeinderates, mit dem die ANDRA das Eigentum über den Wald Bois Lejuc erlangte, auf Grund von zahlreichen Formfehlern für nichtig erklärt und der Gemeinde eine 4-monatige Frist zur Behebung der Formfehler gesetzt. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen und die Formfehler wurden bislang nicht behoben.

    Die für den 22. Mai angekündigte Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über ihre Berufung gegen den im Sommer verhängten Baustopp (zum Bericht), scheint die ANDRA ebenfalls nicht abwarten zu wollen. Sie geht den Baustopp um, indem Deals mit den Behörden geschlossen werden. Die Umweltbehörde hat am 17.3. erklärt, das Bauvorhaben der ANDRA im Wald von mandres-en-Barrois unterliege die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, bei den Baumaßnahmen handele es sich nicht um die Umsetzung von CIGÉO, sondern lediglich um Vorarbeiten.

    Seit dem Urteil vom 26. April ist der Druck im Wald von Mandres-en-Barrois. Die Polizeipräsenz hat sich verstärkt, die Präfektur hat verfügt, dass die Polizei jederzeit Menschen und Autos überprüfen darf. Die Bauarbeiten für die künftige CASTOR-Bahn haben zudem begonnen. Die neue Bahnlinie ist für 2 CASTOR-Transporte die Woche 100 Jahre lang vorgesehen.

    Die Projektgegner*innen lassen sich nicht unterkriegen

    „Wir rufen euch auf, euch SOFORT, aber auch in den kommenden Tagen und Wochen zu uns zu begeben. Wir sind entschlossen, einem Angriff auf den Wald unseren entschlossenen Widerstand entgegen zu setzen.“ heißt es ihre der Homepage.

    Der Tausch des Waldes mit der ANDRA war rechtswidrig

    Der 18. Februar 2017 war als Mobilisierung gegen die Räumung des seit dem Sommer 2016 gegen das Atomklo (CIGÉO genannt) von Bure besetzten Waldes Bois Lejuc gedacht. Der Tag wurde zu einer schweren Niederlage für die nationale Agentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll, ANDRA. Und der Thriller geht weiter: Das Endlagerprojekt bekam heute einen weiteren Dämpfer: der Beschluss des Gemeinderates, mit dem die ANDRA das Eigentum über den Wald Bois Lejuc erlangte, wurde durch das Verwaltungsgericht für nichtig erklärt.

    Die Gegner *innen von GIGÉO hatten am 18. Februar zu einem Widerstandswochenende eingeladen. Die ANDRA war zuvor mehrfach mit Baufahrzeugen in den besetzten Wald eingedrungen. Sie will sich mit dem im Sommer durch das Gericht von Bar-le-Duc verhängten Baustopp nicht abfinden und hat gegen den Baustopp Berufung eingelegt. Zeitgleich beantragte sie die Erteilung eines Räumungstitels gegen die Waldbesetzer*innen. Als sich abzeichnete, dass vorerst keine Räumung stattfinden würde, schlug die Stimmung fröhlich um. Das Widerstandswochenende wurde zu einem Widerstandsfest mit Demonstrationen, Aktionen und Kultur. Die Aktivist*innen zeigten mit einer kräftigen Demonstration ihre Entschlossenheit. Zäune wurden am "Erkundungsberwerk" niedergerissen - die Mauer, die die ANDRA zum Schutz der Bauarbeiten vor Protesten errichtete, war schon im Sommer gefallen. Die ANDRA beschwerte sich über die schlimmen gewalttätigen illegalen Aktionen.

    Festzustellen ist jedoch, dass ausgerechnet die ANDRA mit illegalen Aktionen glänzt! Diverse Klagen der ANDRA und der CIGÉO-Gegner*innen wurden in den letzten Wochen verhandelt. Die ersten Urteile wurden gesprochen. Die Projekt-Gegner*innen können sich über eine weitere Verschnaufpause freuen, die sie für die Befestigung der Widerstandsstrukturen und der Waldbesetzung nutzen wollen.

    Die Verkündung des Urteils zur Klage der ANDRA gegen die Besetzung des Waldes war für vergangene Woche angesetzt worden. Zur Überraschung vieler Anwesenden wurde im Termin kein Urteil gesprochen. Das Gericht hat seine Entscheidung auf den 4. April verschoben. Die ANDRA hat somit keinen Räumungstitel erhalten. Die weiteren vor anderen Gerichten anhängigen Klagen haben das Gericht möglicherweise zu dieser Entscheidung bewegt. Das Verwaltungsgericht von Nancy hatte seine Entscheidung über die Klage gegen die Entscheidung des Gemeinderates von Mandres-en-Barrois für den heutigen Dienstag angekündigt. Das nun gesprochene Urteil dürfte Auswirkungen auf die Räumungsklage haben: die ANDRA verklagt Aktivist*innen wegen der Besetzung eines Waldes, der ihr... gar nicht gehört! Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss des Gemeinderates, mit dem die ANDRA das Eigentum über den Wald Bois Lejuc erlangte, auf Grund von zahlreichen Formfehlern für nichtig erklärt. Der Gemeinderat hatte im Sommer 2015 in einer Sitzung im Frühtau unter Polizeischutz den Tausch des Gemeindewaldes mit einem der ANDRA gehörenden beschlossen. Die ANDRA kauft zahlreiche Grundstücke - auch außerhalb des für das CIGEO-Projekt vorgesehenen Areals - um diese dann mit Grundstücken die sie für CIGÉO benötigt zu "tauschen". Verantwortlich für das Tauschgeschäft ist Herr Hance, der ANDRA Mitarbeiter, der neulich Benzin auf eine durch Demonstrant*innen verteidigte Barrikade goss.

    Der neue "Gemeindewald" befand sich nach dem Tausch weiter weg vom Dorf. Der Beschluss kam zustande, obwohl die Dorfbewohner*innnen sich zwei Jahre zuvor in einem - unverbindlichen - Referendum klar gegen das CIGÉO-Projekt positioniert hatten. Die Gemeinderatssitzung fand - aus Furcht vor Protesten - soweit wie möglich von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Einwohner*innen klagten gegen den Beschluss.

    Das letzte Wort ist in der Sache nicht gesprochen. Das Gericht hat der Gemeinde eine 4-monatige Frist zur Behebung der Formfehler gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass der Verkauf des Waldes nach Behebung dieser für rechtmäßig erklärt wird. Die gewonnene Zeit ist die Projektgegner*innen trotzdem wertvoll, durch die Auseinandersetzungen erlangt der Kampf gegen das Atomklo Bekanntschaft in der französischen politischen Landschaft.

    Eine weitere gerichtliche Entscheidung steht an. Der im Sommer durch das Gericht von Bar-le-Duc verhängter Baustopp wurde am gestrigen Montag durch die Berufungskammer verhandelt. Das Gericht will seine Entscheidung am 22. Mai verkünden. Bis zum diesem Termin gilt der Baustopp weiter. Das Gericht in Bar-le-Duc hatte den Baustopp verhängt und erklärt, die Bauarbeiten dürfen erst wiederaufgenommen werden, wenn eine Rodungsgenehmigung vorliegt. Der ANDRA wurde 6 Monate Zeit für die Wiederinstandsetzung des Waldes - oder die Einholung der Genehmigung gegeben. Die sechs Monaten sind inzwischen verstrichen, mit ihrer Berufung wollte die ANDRA eine Verlängerung der Frist erreichen. Sie muss nämlich wegen der Überschreitung der sechsmonatigen Frist Strafzahlungen leisten. Die Projektgegner*innen bleiben wachsam. Sollte die Umweltbehörde die Rodungsgenehmigung erteilen, wäre der verhängte Baustopp hinfällig. Nach eine zeitnahen Erteilung der Rodungsgenehmigung sieht es jedoch nicht aus. In der Verhandlung am 27. Februar wurde bekannt, dass der Antrag auf Erteilung einer Rodungsgenehmigung erneut gestellt werden muss, weil Unterlagen fehlen. Eine Richtlinie zum Schutz von Fauna und Flora wurde missachtet.

    Der juristische Thriller geht weiter. Und vor Ort bleiben die Projektgegner*innen wachsam!

    Eindrücke aus dem besetzten Wald "Bois Lejuc", Dezember 2016

    Eulen vom besetzten Wald

    Infos zu den aktuellen Entwicklungen gibt es im Blog der Aktiviat*innen vor Ort.

    Der Widerstand wächst!

    Eichhörnchen Artikel aus der Zeitschrift Graswurzelrevolution Nr. 411, September 2016

    In der Ortschaft Bure (Lothringen), unweit der deutschen Grenze, will die französische Regierung ein Endlager für hoch radioaktivem Müll in tiefen geologischen Tonschichten bauen. Das Vorhaben wurde CIGÉO getauft. Die ANDRA (Nationale Agentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll), Bauherrin von CIGÉO, hat Anfang Juni 2016 mit der Rodung eines Waldes Namens „Bois Lejuc“ in Mandres-en-Barrois begonnen, erste Tatsachen zu schaffen. Und dies obwohl die ANDRA über keinerlei Bau- und Rodungsgenehmigung verfügte und das Gesetz zur Genehmigung einer ersten Bauphase – als industrielle Forschung getarnt – das Parlament noch nicht ein mal passiert hatte. Der Wald wurde am 19. Juni, wenige Tage nach Beginn der Bauarbeiten, im Anschluss an einem Waldspaziergang durch Projektgegner*innen besetzt. Diese Aktion stellt einen Wendepunkt für den Widerstand gegen das Atomklo in der Gegend dar: Noch nie zuvor wurde ein Platz besetzt. Noch nie zuvor unternahmen so viele Menschen gemeinsam einen solchen Akt des zivilen Ungehorsams.

    Waldbesetzung gegen den atomaren Kahlschlag

    Die Gegend um Bure ist sehr dünn besiedelt, gilt wirtschaftlich als strukturschwache Region und hat keine große politische Widerstandstradition. Der Widerstand wurde über die Jahre im Keim erstickt: Tarnung des Endlagerprojektes als „Forschungsbergwerk“ mit der Aussage, es gehe nur um Forschung und bedeute keine Festlegung auf dem Standort, verbunden mit schwindelerregenden Subventionen. Spätestens nach der im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für das Großprojekt vorgeschriebenen öffentlichen Debatte von 2013, die auf Grund von Protesten ausschließlich im Internet stattfand, und nach dem Tausch des Waldes von Mandres-en-Barrois vor einem Jahr, sind auch Einwohner*innen in der Gegend erwacht und bereit gegen das Projekt zu kämpfen. Der Bürgermeister von Mandres-en-Barrois hatte im Juli 2015 in einer Sondersitzung des Gemeinderats im Frühtau den Tausch des Kommunalwaldes mit der ANDRA beschlossen – obwohl eine Befragung der Bevölkerung zwei Jahre zuvor ergeben hatte, dass die Menschen ihren Wald der ANDRA nicht übergeben wollen. Diese Ereignisse haben schließlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Letzteres ist möglicherweise die Erklärung dafür, dass der Widerstand gegen das atomare Endlager nun ausgerechnet mit einer Auseinandersetzung um den Wald von Mandres-en-Barrois an Bedeutung – weit über Bure hinaus – gewinnt. Viele Einwohner*innen trauen sich zum ersten Mal laut und deutlich NEIN zu sagen. Ob Einwohner*innen, Landwirt*innen, Ökoaktivist*innen aus der Gegend und aus der Ferne, NGO-Aktivist*innen oder Autonome: Eine bunte Mischung eroberte schließlich den Wald. Die Waldbesetzung war jedoch nur von kurzer Dauer. Die Militärpolizei räumte die Aktivist*innen mit Gewalt nach drei Wochen Besetzung. Die Menschen ließen sich weder von der Polizeigewalt bei der Räumung noch von der zunehmenden Militarisierung der Gegend einschüchtern und riefen zur erneuten Besetzung des Waldes für den 16. Juli 2016.

    Versagen der Politik

    Die politische Klasse gab unmittelbar nach der Räumung den Aktivist*innen einen ordentlichen Motivationsschub. Die Abstimmung über die erste 6 Milliarden Euro teure Pilot-Bauphase von CIGÉO stand auf der Tagesordnung einer Sondersitzung der Assemblée Nationale am 11. Juli. Bure sollte möglichst weit ab von der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zwischen dem EM-Finale und dem Nationalfeiertag am 14. Juli als Atomklo zementiert werden. Die für das Gesetz zuständige Umweltministerin Ségolène Royal blieb der Abstimmung fern und zog ein Fotoshooting mit Fußballpromis, mit dem sie auf Twitter prahlte, der parlamentarischen Debatte vor. Sie wurde durch den für die Frankophonie zuständigen Staatssekretär vertreten. An der Abstimmung nahmen lediglich ca. 20 Abgeordnete teil. Einzig vier Ökoabgeordnete stellten Anträge und stimmten gegen das Gesetz.

    Für die CIGEO-Gegner*innen ein Grund mehr auf den Widerstand von unten und entschlossene Aktionen wie Besetzungen aber auch Sabotage zu setzen. Etwa 500 Menschen folgten am 16. Juli dem Aufruf, den Wald wieder zu besetzen. Ein für mich sehr bewegender Moment.

    Wem gehört der Wald? Uns!

    Eine dichte Polizeipräsenz war gemeldet worden, die Anspannung war zu Beginn der Demonstration auf vielen Gesichtern zu sehen. Das bunte Treiben setzte sich in Bewegung. Am Waldrand angekommen, flogen nach zwei kurzen Warnungen der Gardes Mobiles (Militärpolizei) die ersten Tränengas- und Schockgranaten (machen einen sehr lauten Knall) – und die ersten Steine.

    Der Kontext von monatelangen Protesten gegen die Loi Travail (Arbeitsgesetz) in ganz Frankreich und die damit einhergehende entfesselte Polizeigewalt waren zu spüren. Die Regierung antworte auf den Protest der Straße mit einer Durchsetzung des umstrittenen Gesetzes ohne parlamentarische Debatte per 49.3 Dekret und mit Repression. Die Polizeigewalt traf die gesamte Protestbewegung. Viele Demonstant*innen, die bei diesen Protesten verletzt wurden oder Augenzeuge von Polizeigewalt wurden, waren in Bure entsprechend ausgerüstet: Helm, Gasmaske, Zwille, etc. Dies konnte ich nachvollziehen – auch wenn ich diese Art der Auseinandersetzung kritisch sehe. Gewalt erzeugt Gewalt und ist in meinen Augen keine Lösung. Es ging aber vorwiegend auch um körperliche Unversehrtheit. Die französische Polizei verwendet Waffen (Gummigeschosse, Granaten, etc.), die töten können – wie der Tod von Rémi Fraisse vor knapp zwei Jahren es in Erinnerung rief.

    Die Söldner der ANDRA

    Die Auseinandersetzung am Waldrand dauerte ein bis zwei Stunden an, bis die ersten Aktivist*innen es tatsächlich in den Wald schafften und die Polizei sich schließlich zurück zog. An den Waldeingängen wurden Barrikaden gebaut, um das Eindringen von Polizeifahrzeugen zu erschweren. Es roch noch reichlich nach Tränengas, als ich in den Wald kam. Die Küche für alle versorgte die Aktivist*innen mit leckerem Essen. Die einen bauten eine Hütte in einer Lichtung, während die anderen die Barrikaden gegen immer wieder kehrenden Angriffe der Polizei und der Securitys der Bauherrin ANDRA verteidigten. Die Polizei schien mit unregelmäßigen Angriffen mit Gasgranaten und einem Räumpanzer auf eine Zermürbungstaktik zu setzen. Die Securitys der ANDRA griffen die mit PACE-Fahne am Boden sitzenden Menschen mit Stöcken und Spitzhaken an – vor laufender Kamera des Lokalsenders France 3! Fünf Menschen wurden dadurch verletzt. Der Wald wurde zurück erobert. Die Rückeroberung blieb jedoch symbolischer Natur. Der Wald war zu groß und die Anzahl an Aktivist*innen auf Dauer zu klein, um die Bauarbeiten vollständig zum Erliegen zu bringen. Die ANDRA setzte den Bau ihrer zwei Meter hohen Schutzmauer unter Polizei- und Security-Schutz fort. Die Mauer soll den gesamten Wald umrunden und wird zum Schutz vor Störmaßnahmen von Projektgegner*innen bei den künftigen Bauarbeiten errichtet.

    Neue Wege für den Widerstand suchen

    Die Aktivist*innen setzten auf weitere Aktionsformen und führten Aktionen vor dem Sitz der an CIGÉO beteiligten Unternehmen durch. Am frühen Morgen des 18. Juli wurde die Zufahrt zu Vichard Frères SARL bei Joinville blockiert. Das Unternehmen CATTANEO SAS wurde mit Graffiti gegen das Endlagerprojekt und einem großen Haufen Scheiße in Bar-Le-Duc heim gesucht. „Die Scheiße wird schneller abgebaut als der atomare Müll“, so die Aktivist*innen in einer Erklärung. Ein LKW, der Material für die Mauer der ANDRA an Bord geladen hatte, wurde im Dorf von Bure blockiert und „redekoriert“, bis die Militärpolizei intervenierte. Es wurde außerdem berichtet, die ANDRA würde sich über diverse Sabotage-Aktion wie Brandstiftung an Baufahrzeugen aufregen.

    Gericht verhängt vorläufiger Baustopp

    Am 1. August 2016 kam dann die nächste – dieses mal positive – Überraschung: Das Gericht von Bar-le-Duc gab acht Vereinen und vier Einwohner*innen von Mandres-en-Barrois recht. Sie hatten in einem Eilantrag die illegalen Rodungen des Waldes angeprangert und einen Baustopp im Bois Lejuc gefordert. Dem Gerichtsbeschluss zur Folge muss die ANDRA die Rodungsarbeiten beenden, weil sie hierfür keine Genehmigung beantragt hat und keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde. Die sieben Hektar bereits gerodeter Wald müssen wieder aufgeforstet werden – sollte die ANDRA von der zuständigen Präfektur innerhalb der nächsten sechs Monate keine Rodungsgenehmigung erhalten.

    Die ANDRA glänzte nicht gerade bei der öffentlichen gerichtlichen Anhörung vom 28. Juli. Sie erklärte, die Bauarbeiten seien zwar im Zusammenhang mit CIGÉO, sie hätten jedoch eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes Lejuc zum Zweck. Hinzu kommt, dass die ANDRA, die mitten in die Sitzung hinein platzte, ein lächerliches Dokument aus ihrem Hut zog. Nämlich eine durch den Bürgermeister unterschriebene Verfügung der Gemeinde von Mandres-en-Barrois, mit der der vor Wochen illegal bereits begonnene Bau der Mauer nachträglich genehmigt wurde. Diese Genehmigung ist nun Gegenstand eines weiteren Eilantrags, weil das Gericht sich auf Grund dieser Baugenehmigung weigerte, den Rückbau der Mauer anzuordnen. Die Genehmigung dürfte keinen Bestand haben, da der Bau der Mauer weitere Rodungen impliziert und solch eine Baugenehmigung folglich nicht ohne vorige Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt werden darf.

    „Ob Illegale Bauarbeiten, oder der Einsatz von Söldnern zur 'Verteidigung' der Mauer: die Manöver und Täuschungen der ANDRA um CIGÉO durchzusetzen, stehen nun im Lichte der Öffentlichkeit. Der Gerichtsbeschluss bekräftigt die Begründetheit und Legitimität des Widerstandes von mehreren Hundert Menschen und der Einwohner*innen, die sich schon seit Wochen den Bauarbeiten der ANDRA widersetzen“, erklärten die Kläger*innen in einer Pressemitteilung.

    Der Widerstand geht weiter!

    Die Entscheidung des Gerichts gibt den Projektgegner*innen, die der plötzliche Beginn der Bauarbeiten kalt erwischte, etwas Zeit den weiteren Widerstand zu organisieren – diese sind sich dessen Bewusst, dass die Justiz das Atomklo nicht endgültig stoppen wird. Es ist damit zu rechnen, dass die ANDRA nun die Genehmigungen bei der Präfektur beantragt und erhält. Fraglich ist nur, wie schnell die Genehmigung kommen wird. Die ANDRA will deshalb gegen den Gerichtsbeschluss in Berufung gehen und eine Fristverlängerung zur Vorlage der Genehmigungen erreichen, um den Wald nicht renaturieren zu müssen.

    Der Druck beider Seiten hat vor Ort nicht nachgelassen. Der Polizeihubschrauber verfolgt Projektgegner*innen und die Polizei führt mit Verweis auf den in Frankreich seit November 2015 geltenden Ausnahmezustand Identitätskontrollen durch (hat viel mit Terrorismus wogegen der Ausnahmezustand angeblich verhängt wurde, zu tun). Die Aktivist*innen rufen ihrerseits zu weiteren Demonstrationen, Widerstandswochenenden, Kulturveranstaltungen und Aktionen gegen das Atomklo auf. Die Menschen vor Ort freuen sich riesig über Unterstützung von außen. Das Widerstandshaus Bure Zone Libre und der ehemalige Bahnhof von Luméville mit zahlreichen Schlaf- und Zeltplätzen sind geeignete Stützpunkte für Unterstützer*innen.

    Das jüngste Widerstandswochende war in diesem Hinblick ein guter Anfang. Rund 450 Menschen aus Frankreich und dem Ausland folgten dem Aufruf, die ANDRA bei der Wiederinstandsetzung des Waldes zu unterstützen. Die Schutzmauer der ANDRA wurde am 14. August „redekoriert“ und schließlich zum großen Teil niedergerissen. „ANDRA haut ab! Sabotage! Die Mauer muss weg!“, riefen die Demonstrant*innen.

    Auf nach Bure gegen den atomaren Wahnsinn! Das geht uns alle an! Niemals aufgeben!

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    Die Mauer ist gefallen!

    Pressemitteilung - Die Mauern im Wald Lejuc fallen!

    Heute am 14. August 2016 haben fast 500 Menschen verschiedenen Alters, AktivistInnen unterschiedlicher Herkunft, darunter Landwirte und EinwohnerInnen, den Wald von Lejuc bei Mandres-en-Barrois zurückerobert und in einer festlichen Atmosphäre entschlossen mit der Wiederinstandsetzung des Waldes begonnen. Mehrere hundert Meter der illegal errichteten Mauer wurden niedergerissen, andere Mauerstücke bemalt und kleine Bäumchen gepflanzt. Sogar einige der während der ersten Besetzung (vom 19. Juni bis 7. Juli 2016) eingesetzten Gemüsepflänzchen, die die Zerstörungsaktion der ANDRA überstanden haben, wurden neu eingepflanzt.

    Neu dazu gekommene AktivistInnen und solche der ersten Stunde versammelten sich im Schatten der befreiten Bäume für ein gemeinsames Picknick und um die Welt über den Mauerruinen neu zu gestalten. Mit dem Fall dieser Mauer ist nicht nur ein Symbol der Gewalt und der willkürlichen Durchsetzung der ANDRA gefallen, sondern die bleierne Kappe der Schicksalsergebenheit und der Resignation hat jetzt auch Risse bekommen.

    Dieser Volksaufstand ist eine gesunde und legitime Reaktion auf die Walze der ANDRA, die zu allem bereit ist, um CIGÉO durchzusetzen (Einsatz von stark bewaffnetem Sicherheitsdienst, Mißachtung der Gesetze, Mißachtung der Gerichtsentscheidungen). Mehrere hundert DemonstrantInnen konnten das Ausmaß der Schäden am Wald feststellen: Kahlschlag im Hochwald junger Bäume und im Mittelwald. Einiges lässt vermuten, dass die ANDRA auch nach Erlass des Baustopps durch das Gericht am 1. August 2016 noch die Rodungen fortgesetzt hat. Wir erwarten mit Ungeduld die nächsten juristischen Auseinandersetzungen.

    Angesichts des Ausmaßes an Zerstörung und der Böswilligkeit der ANDRA erscheint es uns umso wesentlicher, den Wald in den kommenden Tagen und Wochen weiter zu verteidigen.

    Bildergalerie

    Vorläufiger Baustopp für das Atomklo!

    Gemeinsame Pressemitteilung von Réseau Sortir du nucléaire, MIRABEL, Lorraine Nature Environnement, Meuse Nature Environnement, ASODEDRA, CEDRA 52, Les Habitants vigilants de Gondrecourt, BureStop55, Bure Zone Libre und der Gegner*innen und Einwohner*innen gegen das Projekt CIGÉO in Bure und anderswo – 1. August 2016

    Das Gericht von Bar-le-Duc verurteilt die ANDRA!

    Die Bauarbeiten für CIGÉO sind gestoppt!

    Historische Klatsche für die ANDRA nach zwei Monaten Widerstand vor Ort

    Das Gericht von Bar-le-Duc hat acht Vereine und vier Einwohner*innen von Mandres-en-Barrois recht gegeben. Sie haben in einem Eilantrag vom 25. Juli 2016 einen Baustopp für die Nationalagentur zur Entsorgung von Atommüll (ANDRA) im Bois Lejuc gefordert. Die Bauarbeiten stehen im Zusammenhang mit CIGÉO, dem Endlagerprojekt für hoch gefährlichem Atommüll. Die Bauarbeiten sind illegal. Die ANDRA muss sie unterbrechen und das zerstörte Areal wieder Instand setzen.
    Die Vorgeschichte: 7 Hektar Blätterwald wurden bereits gerodet – darunter beinahe 100 Jahre alte Eichen. Der Boden wurde von allen Pflanzen befreit und mit Kies bedeckt. Der Bau einer 2 Meter hohen und 3 Kilometer langen Mauer wurde begonnen. Diese Tatsachen wurden geschaffen, obwohl die ANDRA von den zuständigen Behörden keine Genehmigung erhalten hat und sich die Frage nach der Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung erst gar nicht stellte. Die ANDRA glänzte bei der öffentlichen gerichtlichen Anhörung vom 28. Juli nicht mit Herrlichkeit - im Gegenteil! Sie erklärte, die Bauarbeiten seien zwar im Zusammenhang mit CIGÉO, sie hätten jedoch eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes Lejuc zum Zweck! Hinzu kommt, dass die ANDRA, die mitten in der Sitzung hinein platzte, ein lächerliches Dokument aus ihrem Hut zog. Nämlich eine durch den Bürgermeister unterschriebene Verfügung der Gemeinde von Mandres-en-Barrois mit der der vor Wochen illegal bereits begonnene Bau der Mauer nachträglich genehmigt wurde!

    Der Gerichtsbeschluss vom 1. August 14 Uhr ist eindeutig: Es ist die Anordnung eines vorläufigen Baustopps bis zur Erteilung einer Rodungsgenehmigung durch die zuständige Behörde. Bei Verstoß muss die ANDRA 10 000 Euro Strafe pro gerodetes Ar zahlen. Sollte die ANDRA innerhalb von 6 Monaten keine Genehmigung eingeholt haben, muss sie die Schäden beseitigen und den Wald in seinem ursprünglichen Zustand versetzen.

    Das Gericht schreibt eine Wiederbepflanzung, die Entfernung des Geotextils, des Kies und der Mauer auf der gerodeten Fläche vor. Die Renaturierung muss sich nach den Auflagen der Forstverordnung der Office National des Forêts (staatliche Fortstbehörde) für 2007- 2018 richten.

    Ob Illegale Bauarbeiten, oder der Einsatz von Söldnern zur „Verteidigung“ der Mauer: die Manöver und Täuschungen der ANDRA um CIGÉO durchzusetzen stehen nun im Lichte der Öffentlichkeit. Der Gerichtsbeschluss bekräftigt die Begründetheit und Legitimität des Widerstandes von mehreren Hundert Menschen und der Einwohner*innen die sich schon seit Wochen den Bauarbeiten der ANDRA widersetzen.

    Die Vereine, Einwohner*innen und CIGÉO-Gegner*innen freuen sich über die historische Entscheidung und werden sich nicht damit begnügen. Andere Klagen und Aktionen sind in Vorbereitung um den Wald zurückzuerobern und CIGÉO zu stoppen. Ein Widerstandswochenende mit einer großen Demonstration steht am 13. – 15. August 2016 an.

    Übersetzung: Cécile Lecomte

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    Bildergalerie zur Wiederbesetzung

    wiederbesetzingsdemo in Bure

    Bure - Demonstration zur Wiederbesetzung des Waldes gegen das Atomklo, Juli 2016 - Bericht und Dossier zu Bure - Auf dem Bild klicken um die Galerie zu öffnen.

    Manif de réoccupation de la forêt contre la poubelle nucléaire de Bure - reportage

    Wiederbestzungsdemo in Bure

    Die Abstimmung über das französische Endlagergesetz, das für die erste 6 Milliarden Euro teure Bauphase von Atommülltieflager Namens CIGÉO in Bure den Grundstein legt, erfolgte in der Assemblée Nationale ohne richtige Debatte in einer Sondersitzung am 11. Juli 2016 zwischen der EM-Finale und dem Nationalfeiertag von 14. Juli. Die für das Gesetz zuständige Umweltministerin Ségolène Royal blieb der Abstimmung fern und zog ein Fotoshooting mit Fußballpromis der Debatte vor. Sie wurde durch den für die Frankophonie zuständigen Staatssekretär vertreten. An der Abstimmung nahmen lediglich ca. 20 Abgeordneten teil. Einzig 4 Ökoabgeordneten stellten Anträge und stimmten gegen das Gesetz.(siehe Bericht von Reporterre)

    Die Gegner*innen des Atommüllendlagerprojektes sehen schon lange das Treiben der Politiker*innen als eine Farce und setzten auf Widerstand von unten. Der Widerstand wächst seit dem Beginn der Bauarbeiten für CIGÉO im Wald von Mandres-en-Barrois Anfang Juni. Der Wald wurde besetzt und nach 3 Wochen von der Polizei geräumt. Ca. 500 Menschen folgten dem Aufruf, den Wald wieder zu besetzen am 16. Juli 2016. Ein buntes Treiben machte sich auf dem Weg und eroberte den Wald zurück. Ein Erfahrungsbericht.

    Ob Einwohner*innen, Bauer*innen, unerfahrene oder erfahrene Aktivist*innen, bunt gekleidete Menschen mit Pace-Fahne oder schwarzgekleideten Autonomen: die Demonstration zur Wiederbesetzung des Waldes vereinte sehr unterschiedliche Menschen. Eine dichte Polizeipräsenz war gemeldet worden, die Anspannung war zu Beginn der Demonstration auf vielen Gesichtern zu sehen. Das bunte treiben setzte sich in Bewegung. Am Waldrand angekommen flogen nach zwei kurzen Warnungen der Gardes Mobiles (Militärpolizei) die ersten Tränengas- und Schockgranaten (machen einen sehr lauten Knall) – und die ersten Steine.

    Der Kontext von monatelangen Protesten gegen die Loi Travail (Arbeitsgesetz) in ganz Frankreich und die damit einhergehende entfesselte Polizeigewalt waren zu spüren. Die Regierung antworte auf den Protest der Straße mit einer Durchsetzung des umstrittenen Gesetzes ohne parlamentarische Debatte per 49.3 Dekret und mit Repression. Die Polizeigewalt traf die gesamte Protestbewegung.

    Viele Demonstant*innen, die bei diesen Protesten verletzt wurden oder Augenzeuge von Polizeigewalt wurden, waren in Bure entsprechend ausgerüstet: Helm, Gasmaske, Zwille, etc.

    Dies konnte ich gut nachvollziehen - auch wenn ich diese Art der Auseinandersetzung kritisch sehe. Gewalt erzeugt Gewalt und ist in meinen Augen keine Lösung. Es geht aber vorliegend auch um körperliche Unversehrtheit. Die französische Polizei verwendet Waffen (LBD, Granaten, etc.), die töten können – wie der Tod von Rémi Fraisse von fast 2 Jahren es in Erinnerung rief. Ich hielt mich da zurück und beobachtete das Geschehen. Sowohl das Treiben der Demonstrant*innen als auch der Polizeieinsatz kamen mir unkoordiniert vor. Ich war aber froh darüber, dass es Menschen gab, die vorne die Stellung hielten und dazu in großem Masse beitrugen, dass der Wald schließlich erobert wurde.

    Die Auseinandersetzung am Waldrand dauerte 1 bis 2 Stunden an, bis die ersten Aktivist*innen es tatsächlich in den Wald schafften und die Polizei sich schließlich zurück zog. Es wurden an den Waldeingängen Barrikaden gebaut, um das Eindringen von Polizeifahrzeugen zu erschweren. Es roch noch reichlich nach Tränengas, als ich in den Wald kam. Die Küche für alle versorgte die Aktivist*innen mit leckerem Essen. Die einen bauten eine Hütte in einer Lichtung während die anderen die Barrikaden gegen immer wieder kehrenden Angriffe der Polizei und der Securitys der Bauherrin ANDRA (Nationalagentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll) verteidigten. Die Polizei schien mit unregelmäßigen Angriffen mit Gasgranaten und einem Räumpanzer auf eine Zermürbungstaktik zu setzen. Die Securitys der ANDRA griffen am Boden sitzenden Menschen mit Stöcken und Spitzhaken an (ein Teil der Auseinandersetzung ist im Beitrag vom Französischen Fernsehsender France 3 zu sehen). Es gab in den Auseinandersetzungen insgesamt 5 Verletzte und 4 Ingewahrsamnahmen (PM der Médics auf Französisch dazu). Die in Gewahrsam genommenen Menschen wurden nach 2 Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt – ohne strafrechtlichem Vorwurf gegen sie.

    Die neue Waldbesetzung konnte über das Wochenende schließlich aufrecht erhalten werden. Ich habe mich einer Gruppe von Menschen angeschlossen, die die Bäume klettertechnisch im Hinblick auf eine dauerhafte Baumbesetzung erkundeten. Ich habe oben in den Bäumen eine wunderschöne Nacht verbracht. Material ist vorhanden. Noch fehlt es an Aktivist*innen mit den entsprechenden Fähigkeiten für eine dauerhafte Baumbesetzung. Aktionsklettern ist in Frankreich weniger verbreitet als in Deutschland. Ich habe das Widerstandswochenende für Vernetzung genutzt. Viele Menschen haben Lust Aktionsklettern zu lernen. Vielleicht entsteht da noch was!

    Die Besetzung hält seit Samstag an. Die Aktivist*innen vor Ort können aber Unterstützung gebrauchen! Sie sind nicht genug um den Wald dauerhaft zu halten. Der Wald es groß. Und am Montag gingen die Rodungsarbeiten unter Polizeischutz an einigen nicht besetzten Teilen des Walds weiter. Die ANDRA baut die „Plattform“ aus, der Ort wo sie die Bauarbeiten koordiniert und Baustellenfahrzeuge lagert. Zusätzlich zum Stacheldrahtzaun wird nun eine ca. 3 Meter hohe Mauer gebaut (Beitrag vom französischen Fernsehsender France 3 dazu). Die ANDRA will damit einen Großteil des - noch – Waldes einzäunen.

    Im Hinblick auf den Umstand, dass die Aktivist*innen den gesamten Stopp der Bauarbeiten nicht erzielen können, setzten sie nun seit Montag früh auf ein neues Konzept: Die Unternehmen die an CIGÉO beteiligt sind bei Namen nennen und blockieren.

    Am frühen morgen des 18. Juli wurde die Zufahrt zu Vichard Frères SARL bei Joinville blockiert. Das Unternehmen CATTANEO SAS wurde mit Graffiti gegen das Endlagerprojekt und einem großen Haufen Scheiße in Bar-Le-Duc heim gesucht. Die Scheiße wird schnelle abgebaut als der atomare Müll... (PM der Aktivist*innen auf Frazösisch)

    Am frühen Dienstag (19. Juli) wurde dann ein LKW, das Material für die Mauer der ANDRA im Wald geladen hatte, im Dorf von Bure blockiert und „redekoriert“, bis die Gardes Mobiles intervenierten. Es kam zu vorübergehenden Festnahmen.

    Wir können auf die nächsten Aktionen gespannt sein, der Widerstand geht weiter! die nächste Großdemo findet am Wochenende vom 13. und 14. August statt. (Aktuelle Infos auf Französisch hier)

    Ich musste schweren Herzens Bure wieder verlassen um diverse andere schon länger feststehende Termine wahr nehmen zu können. Aber: ich komme wieder! Und es kommen hoffentlich viele mit. Auf nach Bure gegen den atomaren Wahnsinn! Das geht uns alle an!

    Update 24. Juli:der Wald ist nicht dauerhaft besetzt, weil die Repression von Schlägertruppen dert Polizei und der ANDRA zu groß ist, es sind nicht genug Menschen vor Ort um die Besetzung dauerhaft aufrecht zu erhalten. Es gibt aber weiterhin Aktionen im und um den Wald. Für den 12. - 14. August wird nach wie vor groß Mobilisiert. Wer eine Reise nach Bure plant, kann sich diesen Termin aufschreiben!

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    Nach der Räumung ist vor der Wiederbesetzung

    Brutaler Polizeieinsatz im Frühtau im aus Protest Gegen ein atomares Endlager besetzten Wald von Mandres-en-Barrois. Die Besetzer*innen kommen wieder!

    Die Hinweise verdichteten sich in den letzten Tagen, die Aktivist*innen, die den Wald von Mandres-en-Barrois gegen das Atommüll-Endlagerprojekt Namens CIGÉO in Bure seit nun über zwei Wochen besetzten, hatten um Unterstützung gebeten. Gerüchte zu Folge waren zum Beispiel die wenigen Hotels in der äußerst dünn bevölkerten Gegend plötzlich ausgebucht - wohl für die Unterkunft der für die heutige Räumung eingesetzten Gardes Mobiles (militärische Polizei).

    Gegen eine Räumung sprach die laufende Auseinandersetzung um die am 28. Juni durch einen Gerichtsvollzieher im Wald zugestellten Räumungsverfügung der Bauherrin ANDRA (Nationale Agentur zur Entsorgung von Radioaktivität). Aktivist*innen und Einwohner*innen legten Widerspruch dagegen ein. Die Verhandlung über den Widerspruch hätte am gestrigen Tag verhandelt werden sollen, die ANDRA beantragte jedoch die Einräumung einer Frist um zum Vortrag der Anwält*innen der Besetzer*innen Stellung nehmen zu können. Die Verhandlung wurde auf den kommenden vertagt. Klagen von Vereine und Einwohner*innen gegen den illegalen Beginn der Bauarbeiten ( Waldrodungen ohne Rücksicht auf Faune und Flora, Beginn von Bauarbeiten ohne Baugenehmigung und vor Erlass des Gesetzes zu CIGÉO, Widerspruch gegen die Übergabe des Waldes an die ANDRA durch den unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Gemeinderat ) , laufen ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht. Eilig hat es die Justiz nicht, diese Klage zu behandeln.

    Die ANDRA hat die Zeit gewonnen, die sie haben wollte, um Tatsachen zu schaffen. Eine riesige Polizeiarmada tauchte am frühen morgen im besetzten Wald von Mandres-en-Barrois.

    Der polizeiliche Angriff erfolgte brutal ohne richtige Vorwarnung. Die Polizei setzte diverse Granaten und Flash-Ball – oder Flashball ähnliche – Gewehre gegen die Aktivist*innen ein (Infos zu den Waffen der französischen Polizei u.a. hier). Die gesamte Camp-Infrastruktur wurde beschlagnahmt. Es wurden am frühen Nachmittag eine verletzte Person und eine Ingewahrsamnahme gemeldet.

    Die Aktivist*innen geben sich jedoch nicht geschlagen. Eine Besetzung fand zum ersten mal in 20 Jahren Widerstand gegen das geplante Endlager statt. Einzelaktivist*innen, Anwohner*innen und Vereine waren trotz unterschiedlicher Widerstands- und Politikultur mit im Boot – für viele Einwohner*innen der konservativ geprägten Region war der Schritt zur Besetzung und zum zivilen Ungehorsam eine Herausforderung. Der Widerstand ist dadurch gewachsen. Zahlreiche Vereine erklärten sich mit den Besetzer*innen solidarisch und protestieren nun gegen die Räumung öffentlich (Brief der Vereine auf Französisch)

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    Bure - Waldbesetzung gegen atomares Endlager dauert an

    23. Juni 2016

    Die Waldbesetzung in Mandres-en-Barrois gegen das Atommüllendlager CIGÉO dauert an. Für kommenden Sonntag wird zu einer Widerstandparty im Wald aufgerufen - um die einwöchige Besetzung zu feiern und Energie für den weiteren Widerstand zu tanken. Die AktivistInnen vor Ort freuen sich weiterhin auf Besuch, denzentrale Aktionen, Solierklärung, Spenden, pp...

    Das Gesetz, das den ersten Bauabschnitt von CIGÉO unter dem Deckmantel der "industriellen Forschung" ermöglichen soll, soll am 11. Juli in der Assemblée Nationale verabschiedet werden. Der Abgeordnete, der das Gesetz dort vorstellen wird und von der Kommission "Nachhaltige Entwicklung" der Assemblé dafür gewählt wurde, heißt Christophe Bouillon. Er ist zugleich Präsident der ANDRA, der Nationalagentur zur Entsorgung von radioaktivem Atommüll, die für die Umsetzung von CIGÉO verantwortlich ist. Ein Zufall, heißt es im Parlament. Antiatominitiativen denunzieren hier ein Interessenkonflikt und protestieren mit einem offenen Brief.

    Ich übernehme die heutige Mitteilung von ROBIN WOOD, der Verein solidarisiert sich mit dem Widerstand in Bure.

    Und hier zuvor, der Hinweis auf ein Interview von Radio Dreickland mit einem Aktivisten in Bure

    * Atommüllendlager Bure in Lothringen stoppen!

    * ROBIN WOOD solidarisiert mit EinwohnerInnen, Antiatom-Initiativen und WaldbesetzerInnen

    * Widerstandsparty am kommenden Sonntag im besetzten Wald von Mandres-en-Barrois

    ROBIN WOOD erklärt sich mit den französischen Anti-Atom-Initiativen und WaldbesetzerInnen solidarisch, die sich gegen die Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll im französischen Bure in Lothringen wehren. In dem Ort, etwa 120 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, sollen nach Plänen der französischen Regierung unterirdische Stollen zu einem „Entsorgungszentrum“ für hochradioaktiven Müll umgebaut werden. Dagegen gibt es wachsenden Widerstand. Ein Waldspaziergang am 19. Juni dieses Jahres mündete in eine Dauerbesetzung des Waldes, der für das Atommülllager gerodet werden soll. Die DemonstrantInnen errichteten eine Hütte und schlugen ihre Zelte im Wald auf. Für den kommenden Sonntag (26. Juni) ab 13 Uhr rufen EinwohnerInnen und AktivistInnen zu einem großen Picknick im Wald von Mandres-en-Barrois auf. ROBIN WOOD unterstützt die Forderungen der AtomkraftgegnerInnen, jegliche Produktion von Atommüll sofort zu stoppen und keinen Atommüll in Bure einzulagern.

    „Radioaktivität kennt keine Grenzen. Ob in Bure, Gorleben oder anderswo: Es gibt kein sicheres Endlager!“, sagt ROBIN WOOD-Aktivistin Cécile Lecomte.

    Zuständig für das geplante Atommüll-Lager mit dem Projekt-Namen CIGÉO ist die Nationalagentur zur Entsorgung radioaktiver Abfälle ANDRA. Ein erstes Gesetzesvorhaben zur rechtlichen Absicherung des Projektes war vor dem französischen Verfassungsgericht gescheitert. In einem aktuellen zweiten Anlauf wird das Projekt nun als „industrielles“ Forschungsvorhaben ausgegeben. Das neue Gesetz soll am 11. Juli von der Nationalversammlung verabschiedet werden.

    Bure solle unter dem Vorwand der Forschung als Endlagerstandort zementiert werden, kritisieren französische AtomkraftgegnerInnen. Die Deklaration als Forschungsprojekt ermöglicht die Umsetzung des Bauvorhabens und den Beginn der Einlagerung von Atommüll ohne Erfüllung atomrechtlicher Voraussetzungen.

    Der Standort Bure wurde zudem nicht nach wissenschaftlichen, sicherheitsrelevanten Kriterien ausgewählt. Ausschlaggebend waren vielmehr wirtschaftspolitische Erwägungen: In der wirtschaftlich schwachen, äußerst dünn besiedelten Gegend erwartete die Regierung keinen großen Widerstand. In anderen Regionen waren die Behörden hingegen mehrfach am Widerstand der Bevölkerung gescheitert.

    Erkundet hat man in Bure offiziellen Angaben zufolge in Zusammenarbeit mit VertreterInnen ausländischer Erkundungsprojekte. Auf Nachfrage nennt die ANDRA das deutsche Atommülllager Asse - ein Forschungsbergwerk, in dem nie geforscht wurde, das inzwischen einsturzgefährdet ist und ein Paradebeispiel für das Scheitern im Umgang mit Atommüll darstellt.

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    Waldbesetzung gegen den atomaren Kahlschlag

    20. Juni 2016

    Der Waldsparziergang gegen den atomaren Kahlschlag in Mandres-en-Barrois bei Bure (Lothringen, Meuse Département) an diesem 19. Juni 2016 endete mit der Neubesetzung des Waldes. Die ANDRA, Nationalagentur zur Entsorgung vom radioaktiven Atommüll, hatte - obwohl für das Endlagerprojekt noch keine Baugenehmigung vorliegt - am 6. Mai 2016 mit dem Kahlschlag für das atomare Endlagerprojekt Namens CIGÉO begonnen, Stacheldrahtzäune und eine Plattform zur Koordination der Waldarbeiten errichtet. CIGÉO steht für das „französische“ industrielle Tief-Endlager für hoch radioaktivem Müll. Es wird aber gemunkelt, dass hinter den Kulissen Atomindustrie und atom verfilzte Politiker*innen von einem internationalen Tieflager für hoch radioaktivem Atommüll träumen – günstig in Grenznähe gelegen - um den Widerstand zu erschweren.

    Einwohner*innen und Atomkraftgegner*innen verschafften sich mit diversen Spaziergängen einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörungen und riefen für den 19. Juni zu einer großen Waldwanderung mit Picknick aus. 250 Menschen trafen sich im Wald zusammen. Die errichteten Zäune wurden heruntergerissen, die Plattform der ANDRA zerstört und eine Widerstandshütte errichtet. Es folgte die Erklärung, der Wald sei nun besetzt. Die Besetzer*innen freuen sich über Unterstützung, sei es durch Besuche vor Ort, dezentrale Aktionen oder Solierklärungen. Sie kündigen unter dem Stichwort #ETE D'URGENCE und #OCCUPYLAMEUSE einen Sommer des Widerstandes in Bure an.

    Die Polizei zeigte sich an diesem Widerstandssonntag zurückhaltend. Sie teilte mit, nicht eingreifen zu wollen, so lange keine Gewalt gegen Menschen angewendet werde – und empfahl zugleich den nervösen Securitys, die das Areal im Auftrag der ANDRA bewachen, das Weite zu suchen. Die Aktivist*innen nutzten die Gunst der Stunde für die Errichtung ihrer Widerstandshütte und einen „Barrikadenbau-Workshop“ im Wald. Kurz darauf waren kreisende Polizeihubschrauber im Himmel zu sehen. In einem auf der Homepage von vmc (informelle Gruppe, die das internationale antikapitalistisches antiautoritäres Antiatomcamp vom letzten Jahr auf die Beine stellte) veröffentlichten Aufruf wird zur Unterstützung des Widerstandes und der Besetzung aufgerufen. Ich habe den Aufruf übersetzt.

    +++

    "Bure, Aufruf zur Blockade und Besetzungen gegen den Beginn der Bauarbeiten für das Atommüllklo CIGÉO in diesem Sommer!

    Es ist ein neuer Schritt im Widerstand: Dem Beginn der Bauarbeiten setzen wir unsere Lebenslust und unsere hartnäckige Hoffnung entgegen. Wir wollen keine Schachtzone mit Tausenden von Tonnen von in Vergessenheit gelagerten Abfälle im Schoß der Erde: Wir werden diesen Wald, der uns allen gehört, körperlich verteidigen. Was sich hinter diesem Dickicht aus Hainbuche und Buche abspielt, ist das Symbol des Kampfes gegen die Arroganz und die Gewalt der ANDRA. Unser Wille wird sich unter den Kronenschlüssen der großen Eichen nicht betonieren lassen.

    Im Jahr 2013 hat die ANDRA Millionen um sich geworfen und zahlreiche Arbeitsstellen versprochen, um den Wald in Beschlag zu nehmen: Anlässlich einer Befragung hat die Mehrheit der Einwohner*innen nein gesagt. Die Einwohner*innen sammeln Holz für ihre Heizung, gehen spazieren, jagen, pflücken. All das gehört zum Leben. Die Einwohner*innen haben nein gesagt, weil der Wald 300 Jahre Erinnerungen, Bräuche und Geheimnisse, die nicht ausgetauscht oder ausgeglichen werden, bedeutet. Dem Geldsegen bevorzugen wir Waldwege, den falschen Arbeitsstellenversprechen eine alte Eiche.

    Im Sommer 2015 hat die ANDRA noch eins drauf gelegt. Um 6 Uhr morgens hat der Gemeinderat den Tausch des Waldes mit 7 gegen 4 Stimmen beschlossen. Es war dieses mal keine Scheindemokratie und keine „Befragung“, stattdessen standen 2 Securitys, die den Eingang zum Rathaus versperrten. Seit nun fast einem Jahr versuchen die Einwohner*Innen ihren Wald mit öffentliche Debatten, Einsprüchen, Klagen vor dem Verwaltungsgericht gegen den Waldtausch zurück zu erobern und das Atommüllklo zu verhindern. Der Widerstand vor Ort ist wiedergeboren. Der Beginn der Bauarbeiten konnte jedoch nicht verhindert werden. Wir lassen uns nicht täuschen: das Projekt, das für den Staat und die Atomindustrie von großer strategischer Bedeutung ist, wird sich nicht nur durch Klagen vor Gericht begraben lassen.

    #OCCUPYLAMEUSE

    Wir besetzen heute diesen Wald um zu verhindern, dass Tatsachen geschaffen werden.

    Wir besetzen den Wald weil wir das Krachen der Bäumen nicht ertragen können, weil der Nato-Stacheldraht und die paramilitärischen Securitys mit ihren großen Hunden uns nicht aufhalten werden. Wir besetzen den Wald um ihn nicht der todbringenden Atomindustrie zu überlassen.

    Wir besetzen diesen Wald und den Beginn von CIGÉO der Bauarbeiten zu blockieren. Wir wissen dass nicht das Parlament, sondern das Kräftemessen vor Ort, das Voranschreiten des Atomklos stoppen wird. Ob Links oder Rechts, die Politiker*innen haben gegen das Projekt nichts einzuwenden, sie reden sogar davon, es handle sich um ein Bärendienst für die zukünftigen Generationen. Jetzt besetzen, heißt Herr der Lage über ein Projekt werden, dass schon seit 20 Jahren bekämpft wird. Es ist der Versuch, Sand im Getriebe eines ansonsten nicht greifbaren Gegners zu sein. Wir besetzen diesen Wald gemeinsam mit unserer Lebenslust gegen die atomare Gesellschaft und ihre Welt aus Militarismus, Securitys, lächelnden Experten, Dosimeter und Ausbeutenden. Dort wo sie den Wald roden, bauen wir Hütten. Dort wo sie eine Wüste aus Einsamkeit und Resignation verbreiten, zeigen wir unsere Lust an das Zusammenleben und den Widertand.

    Heute, Sonntag den 19. Juni, haben wir den Gemeindewald von Mandres-en-Barrois vorübergehend von der Herrschaft der ANDRA und ihrem Atomklo CIGÉO befreit. Wir, widerständige Einwohner*innen aus der Gegend und von Weiterweg, Vereine, Bündnisse, erklären vor der neu eingerichteten Widerstandshütte am Ort der Waldzerstörung, den Wald für besetzt.

    Karte Grenzregion

    Karte Ort der Waldbesetzung

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    Auf nach Bure gegen den atomaren Kahlschlag!

    Aufruf zum Waldspaziergang gegen den atomaren Kahlschalg am 19. Juni 2016 in Mandres-en-Barrois bei Bure.

    Vor einem Monat wurde über das Vorhaben der französischen Regierung, die Entsorgung von hoch radioaktivem Müll in tiefen geologischen Schichten in Bure (Lothringen, ca. 120 Km von der deutschen Grenze entfernt) unter dem Deckmantel der „industriellen Forschung“ durchzusetzen. Das Gesetz hat den Senat passiert, die Abstimmung der Assemblée Nationale steht noch an. Damit wäre die erste industrielle Phase von CIGEO mit dem Bau von 40 Kilometern unterirdischen Stollen, wie das Entsorgungsprogramm heiß, im Kasten.

    Baugenehmigung oder nicht: die ANDRA (Agentur für die Atommüllentsorgung), die für die Durchführung des Projektes vor Ort verantwortlich ist, schert sich wenig um die gesetzlichen Voraussetzungen. Die Bauarbeiten sind bereits zu Gange. Im Wald von Mandres-en-Barrois wird gerodet, Stacheldrahtzäune lang gezogen.

    Dies geschieht nicht ohne Widerstand von EinwohnerInnen und AtomkraftgegnerInnen vor Ort. Dieser nimmt seit dem internationalen antikapitalistischen Antiatomcamp vom vergangenen Sommer fahrt auf. Der ehemalige Bahnhof von Luméville an der künftigen CASTOR-Strecke, hat sich neben dem Haus des Widerstandes in Bure (Bure Zone Libre) zu einem wichtigen Stützpunkt des Widerstandes etabliert. Der Widerstand organisiert sich.

    Als Antwort auf den Start der Bauarbeiten wurde zum bäuerlichen Widerstand aufgerufen (Collectif Terres de Bure) und Felder der ANDRA mit Bio-Saatgut bestellt. 500 m² Kartoffel und 1 Hektar Gerste und Hafer wurde gepflanzt. Am 5. Juni versammelten sich 1 000 Menschen zur Marsch der 200 000 Schritten. Vergangene Woche wurden die Rodungsarbeiten durch Waldspaziergänge gestört. Und es soll nun weiter gehen. Mit einem großen Widerstandstag im Wald von Mandres-en-Barrois am 19. Juni 2016. Die Widerständigen rufen darüber hinaus zu einem „#été d'urgence“ auf. Auf Deutsch „#Sommer des Ausnahmezustandes“, in Anspielung auf den im Zuge der Anschlägen von November in Paris ausgerufenen Ausnahmezustandes und die dazugehörige willkürliche Repression von politischem Protest im ganzen Land.

    Die Menschen vor Ort freuen sich auf tatkräftige Unterstützung und (auch dezentrale) Soliaktionen. Vor Ort ist Platz für Viele(s)!

    „À bure, nous n'irons plus aux champignons“...

    ... heißt der Aufruf zum Protest für den 19. Juni 2016. Auf Deutsch: „In Bure werden wir keine Pilze mehr sammeln gehen.“

    Die Einwohner*innen von Mandres-en-Barrois wollen ihren Wald zurück! Dieser wurde vor einem Jahr mit der ANDRA „getauscht“, der Beschluss fiel im Zuge einer geheimen Gemeinderatssitzung um 5 Uhr morgens. 220 Hektar Gemeindegebiet wurden der ANDRA übertragen und somit für den Kahlschlag und für CIGEO freigegeben. Dafür erhielt die Gemeinde ein 370 Hektar großes Waldgebiet, dieser liegt allerdings weiter weg. Einwohner*innen haben sich für eine Klage gegen dieses Vorgehen zusammen geschlossen. Die ANDRA wartet jedoch weder die Baugenhemigung für CIGÉO noch das Ergebnis der Klage der Einwohner*innen ab. Der direkte praktische Widerstand vor Ort kann auch nicht warten.

    „Wir müssen den Wald zusammen besetzen. Alle Mittel sind zur Verhinderung des Kahlschlags und Aufstellung von Stacheldrahtzäune notwendig. Der Kahlschlag bedeutet die Schaffung einer Wüste, Voraussetzung zur atomaren Verbreitung. Wir denken an Picknicks, Wanderungen, Demonstrationen. Wir stellen uns auch Sabotage, Besetzungen und dezentrale Aktionen vor.

    Die Partie spielt sich heute ab, wir wissen dass diesen Sommer entscheidend sein wird. Unsere einzige Einschränkung ist die Anzahl an Menschen. Einige Menschen haben sich bereits nach Bure begeben. Und dies haben wir bereits von der aktuellen Protestbewegung gelernt: Wenn wir viele sind, tun wir was wir wollen.

    Wir müssen heute schon zusammen kommen und den Wald zurück erobern.

    Kommt zahltreich nach Mandres-en-Barrois am 19. Juni 2016!

    Start gegen 11 Uhr mit einem langen Picknick in Mandres-en-Barrois, treffpunkt beim Lavoir (Waschplatz).“

    Ein Text- und Bildbericht der „Wanderungen“ der vergangenen Woche ist auf der Homepage von vmc

    Und wie es dort heißt:

    La résistance sort du bois: l’ANDRA ne creusera pas son trou atomique dans la forêt de Mandres-en-Barrois !

    ANDRA, dégage, résistance et sabotage

    Auf Deutsch:

    „Der Widerstand kommt aus dem Wald (aus der Deckung): Die ANDRA wird ihr atomares Loch im Wald von Mandres-en-Barrois nicht graben!

    ANDRA, haut ab, Widerstand, Sabotage!“

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    Neuer Versuch der Genehmigung eines Endlagers unter dem Deckmantel der Forschung in Bure

    Text vom 11.5.2016

    Französische AtomkraftgegnerInnen rufen zu Protestaktionen gegen das neue Gesetz zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in Frankreich auf. Das Gesetz „Longuet“ wird am 17. Mai im Senat (= Bundesrat) vorgestellt. Im Gesetzestext ist lediglich die Rede von Forschung, einer neuen „phase pilote“. Wer sich mit den Einzelheiten des Gesetzestextes auseinandersetzt, stellt aber schnell fest: das industrielle Entsorgungszentrum für hoch radioaktivem Atommüll Namens CIGEO (industrielles geologisches Zentrum) in der Ortschaft Bure soll dadurch ohne großem Aufwand genehmigt werden.

    Das Gesetz Bataille aus dem Jahr 2006 sieht eine parlamentarische Debatte mit Beteiligung der atomaren Aufsichtsbehörde und Bindung an der „Reversibilité“ (Rückholbarkeit des Atommülls) – zumindest in den ersten 100 Jahren. Zahlreiche für die Verwirklichung des Projekts wesentliche Fragen bleiben bis heute ungeklärt: Geeignetheit des geologischen Untergrunds für einen Zeitraum vom 10 Tausenden von Jahren, Explosions- und Brandrisiko, keine genaue Übersicht über die Atommüllmenge, die das Lager aufnehmen soll, Probleme im Zusammenhang mit dem Bau des Lagers und der gleichzeitigen Einlagerung, etc.

    Es wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach versucht, das industrielle Entsorgungszentrum CIGEO ohne vorige parlamentarische Debatte zu genehmigen. CIGEO wurde vergangenem Sommer ins Wachstumsgesetz „Macron“ aufgenommen. Der Conseil d'Etat (Verfassungsgericht) beanstandete jedoch den Absatz, weil die Atommüllproblematik wohl wenig mit Wachstum zu tun hat! Das geplante Entsorgungszentrum ist nun Gegenstand eines neuen Gesetzes. Im Gesetz Longuet ist jedoch nicht ausdrücklich die Rede davon, dass dadurch das atomare Entsorgungszentrum genehmigt wird sondern, dass weiter „geforscht“ wird. Das Ausmaß des „Forschungsprojektes“ entspricht aber das der ersten industriellen Phase des CIGEO-Projektes: 40 Kilometer unterirdischen Galerien soll entstehen, das Ganze soll - Forschung ausgenommen - 5,7 Milliarden Euro kosten. Über die Rückholbarkeit soll nun erst Ende 2034 geredet werden. Zu diesem Zeitpunkt soll die endgültige Genehmigung für das Entsorgungszentrum jedoch bereits vorliegen und Tatsachen geschafft worden sein. Die Entsorgung des Atommülls soll nach Angeben der Regierung 24 Milliarden Euro kosten – andere Berechnungen gehen jedoch jetzt schon von 35 Milliarden aus. So viel zum billigen Atomstrom...

    Durch das neue Gesetzt wird unter dem Vorwand der „Forschung“ Bure als Endlagerstandort zementiert. Obwohl das Gesetzt aus dem Jahr 1995 die Untersuchung von unterschiedlichen Gesteine vorschrieb. Daran wurde sich nicht gehalten, Bure wurde ausgewählt, weil der Widerstand am schwächsten war. Dies ändert sich langsam. Nach dem internationalen Camp von vergangenem Sommer hat sich der Widerstand am ehemaligen Bahnhof von Luméville etabliert. Eine dauerhafte Infrastruktur zum Empfang von Widerständigen ist im Zuge verschiedener Bauwochen(enden) entstanden. Das ist neben des Hauses des Widerstandes in Bure (Bure Zone Libre) ein wichtiger Treffpunkt zur Planung von Widerstand geworden. Und dieser wird auch sichtbar. Als Antwort auf den Start der Bauarbeiten – derzeit laufen archäologische Untersuchungen - wurde zum bäuerlichen Widerstand aufgerufen (Collectif Terres de Bure)und Felder der ANDRA (für CIGEO verantwortliche nationale Agentur zur Entsorgung radioaktiver Abfälle) mit Bio-Saatgut bestellt. 500 m² Kartoffel und 1 Hektar Gerste und Hafer wurde gepflanzt. Eine Holzhütte Namens „Vigi-patate“ wurde zur Bewachung der Felder durch Widerständigen aufgestellt. Es geht am 3. Juni weiter: Unkräuter werden gemeinsam ausgerupft. Am Abend kommt der antikapitalistische Chor aus Naix-Aux-forges (15 Km von Bure entfernt) für einen antikapitalitischen Abend mit Gesang, Konzerte und Debatten. Es geht anschließend am 5. Juni mit der Marsch der 200 000 Schritten weiter. Verschiedene Wanderungen stehen auf dem Programm, verbunden mit dem Aufruf, sich kreative Gedanken darüber zu machen, die der Verlauf der künftigen CASTOR-Bahn sichtbar gemacht werden kann. Diese ist für 2 Atomtransporte die Woche 130 Jahre lang vorgesehen. Im Anschluss gibt es Programm vor der Baustelle der ANDRA (so ganntes Labor).

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    Tödlicher Unfall auf der Baustelle in Bure

    Text vom 26.01.2016

    Die französische Regierung will ein Endlager für hoch radioaktivem Atommüll in Bure bauen. In der Loi Bataille von 1995 war noch die Rede von Erkundung. Den Einwohner*innen in der Gegend von Bure wurde zunächst gesagt, es handele sich nicht um ein Endlage für Atommüll, sondern um ein Forschungslabor. Es ginge um Forschungsarbeiten in Zusammenarbeit mit anderen Forschungsbehörden in anderen Länder und Gesteine (für das Salz wurde die ASSE als Vergleichslabor genannt). Das „Forschungslabor“ ist seit 2008 in Betrieb. Und die zuständigen Behörden und Unternehmen wollen schon den Beweis haben, dass die Gegend für die Tieflagerung von Atommüll geeignet ist. Das Gestein sei dicht und stabil. Wie stabil es ist, teilte mir 2008 ein Mitarbeiter bei einer Besichtigung des Lochs mit: „ Es ist nicht schwer Galerien zu bohren, es ist wie Butter“. .Am heutigen Tag eine weitere Bestätigung: Es ereignete sich einen schwerwiegenden Unfall in einer unterirdischen Galerie des Labors. Zwei Techniker waren dabei, geo-physikalischen Daten zu erheben, als ein Erdrutsch in der Galerie sich ereignete. Ein Arbeiter kam ums leben, ein anderer wurde verletzt. Manche Berichte zur Folge ist er schwerverletzt.

    Das wirft keinen guten Schatten auf das zukünftige Atommülllager, dass sich trotz fehlender Genehmigung bereits in der industriellen Phase befindet. Das Projekt hat den Namen „CIGEO“ erhalten. 80 000 Kubikmeter Atommüll soll dort gelagert werden. Der Versuch, die Genehmigung für das Atommülllager im Wirtschaftswachstungsgesetz von Minister Macron zu verankern scheiterte im Sommer an dem Verfassungsgericht, das den Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum nicht sah. Ein neues Gesetz wurde für 2016 angekündigt. Rund um Bure haben die Bauarbeiten für das eigentliche Endlager allerdings bereits begonnen, die archäologische Untersuchungen sind – insbesondere dort wo die CASTOR-Bahn gebaut werden soll bei Luméville, zugange. In Luméville selbst organisiert sich der Widerstand auf dem Grundstück, wo vergangenem Sommer das internationale Antiatomcamp stattfand.

    Vergangene Woche erklärte die Regierung, sie rechne mit Kosten in Höhe von 25 Milliarden Euro für das Projekt. EDF und AREVA schätzen die Kosten auf 20 Milliarden, die ANDRA, die für die Verwirklichung von CIGEO zuständig ist, auf 34 Milliarden Euro. Diese Kosten sind nicht auf der Stromrechnung zu sehen, was der Lobby die Behauptung erlaubt, Atomstrom sei billig. Am Ende zahlt der Steuerzahler die Rechnung – ohne den Zusammenhang mit dem Atomstrom zu machen.

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    Bure - Atomklo für immer?

    Herausforderungen und Perspektiven für den Widerstand gegen das Atommülllagerprojekt in Bure

    Eichhörnchen-Artikel, zuerst in der Zeitschrift GWR 402 von Oktober 2015 erschienen

    Anfang August 2015 fand in der Nähe von Bure, im französischen Lothringen, ein gut besuchtes internationales antikapitalistisches Antiatomcamp statt. Ein Zusammenschluss von ca. 60 AktivistInnen aus diversen sozialen und ökologischen politischen Bewegungen hatte die Idee des Camps ins Leben gerufen und die Gegend von Bure ausgewählt, um den Widerstand gegen CIGÉO, das geplante Atommüllendlager, bekannter zu machen. Bis zu 800 AktivistInnen schlugen ihre Zelte auf einem großen Feld am ehemaligen Bahnhof von Luméville auf. Das Grundstück wurde von Menschen aus dem Antiatomwiderstand vor ca. 10 Jahren gekauft und ist beinahe der einzige Ort in der Gegend, der der ANDRA (National Agentur zur Entsorgung von radioaktivem Müll) nicht gehört. Die zukünftige CASTOR-Bahn, dessen Baubeginn Anfang 2016 ansteht, wird einen Bogen um das Grundstück machen. Ab 2025 sollen auf der neuen Bahnlinie 100 Jahre lang zwei CASTOR-Transporte pro Woche stattfinden.

    Für die Verwirklichung von CIGÉO hat die ANDRA bereits 3000 Hektar Wald und Landfläche gekauft oder getauscht. CIGÉO steht für „Centre Industriel de stockage GÉOlogique“ (Industriezentrum zur geologischen Lagerung“. Damit ist die Lagerung von hochradioaktivem Atommüll in Argilitgestein (Mischung aus Tonstein und Quarz) in 500 Tiefe gemeint sowie weitere „industrielle Projekte“ wie „Syndièse“.

    CIGÉO wirkt wie eine atomare Krake: Die Atomlobby bewirbt die Gegend auf einem Prospekt als „Cluster atomarer Kompetenz“, Bure ist dort als Zentrum einer Zielscheibe von 80 Kilometer Radius eingezeichnet (1). 360 km unterirdische Stollen sind für das Atommülllager vorgesehen. Hinzu kommen Projekte wie „Syndièse: Aus 90.000 Tonnen Biomasse jährlich soll Agrosprit gewonnen werden. Ca. 20% der forstwirtschaftlichen Flächen Lothringens (ca. 2000 Hektar Wald) werden dem Vorhaben des CEA(französische Atomenergiebehörde) zum Opfer fallen.

    Die Festlegung auf den Standort Bure erfolgte nicht weil der Untergrund für die Lagerung von Atommüll geeignet ist, sondern weil Bure der einzige Ort in Frankreich ist, wo die ANDRA es geschafft hat, sich niederzulassen. Ursprünglich vorgesehen war die Untersuchung von verschiedenen Gesteinsformationen, doch der Widerstand war an den ausgewählten Standorten so stark, dass die ANDRA sich erst gar nicht niederlassen konnte.

    Mit dem Gesetz „Bataille“ aus dem Jahr 1991 änderte die Regierung ihre Strategie: Es war nicht mehr die Rede von „Tieflagerung“, sondern von „Erkundung“, das Konzept der „Rückholbarkeit“ wurde außerdem eingeführt. Damit sollten die Gemüter beruhigt werden. Untersucht wurde trotzdem ausschließlich in Bure im Département Meuse. Auf Nachfrage verweist die ANDRA darauf, dass andere Gesteinsformationen in Kooperation mit Partnern im Ausland durchgeführt wurden (Z.B. die „Erkundungen" in der ASSE in Niedersachsen). (2)

    Die verlockung des Geldes

    Die Atomlobby hat sich in Bure schleichend und mit viel Geld durchgesetzt. Es war zunächst ausschließlich die Rede von einem temporären wissenschaftlichen Projekt, einem sogenannten Erkundungsbergwerk – und den dazu gehörenden Fördergeldern für die strukturschwache Region. AtomkraftgegnerInnen erkannten darin sofort die Absicht der Regierung, Bure als Standort für ein Atommülllager festzulegen und der Widerstand organisierte sich. Die Verlockung des Geldes war aber zu groß. Lokale PolitikerInnen ließen sich „überzeugen“ und beruhigten sich und die Bevölkerung mit dem Argument, es handele sich um ein temporäres wissenschaftliches Projekt.

    Als Bure schließlich für „geeignet“ erklärt wurde und den Namen CIGÉO erhielt, empörten sich KommunalpolitikerInnen über die Täuschung. Der Aufschrei war jedoch von kurzer Dauer: Die Durchsetzung des Atommülllagerprojektes ging mit mafia-ähnlichen Mitteln weiter.

    Als viele Menschen gegen die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für das Atommülllager vorgeschriebene „öffentliche Debatte“ protestierten, diese als Farce bezeichneten und die Veranstaltungen sprengten, wurde die Debatte ins Internet verlagert. Offizielles Ergebnis ist aber, dass das Atommülllagerprojekt ein tolles Projekt ist und Bure ein idealer Standort. Kritik, auch von WissenschaftlerInnen, wurde ignoriert oder als unwesentlich abgetan.

    Einige Mitglieder der „Commission du débat public“ denunzierten die Machenschaften der Atomlobby und traten zurück. (3)

    Mit CIGÉO kamen dann die nächsten Schmiergelder, um die Akzeptanz für das Projekt bei den lokalen PolitikerInnen und der Bevölkerung zu erhöhen.

    Einer der zahlreichen Schmiergeldertöpfe heißt „groupement d’intérêt public de la Meuse (GIP Meuse)“. Der Topf wird mit Geldern der Atommüllproduzenten (Staatliche Unternehmen wie AREVA und EDF) gefüllt und dient der Förderung von strukturell schwachen Regionen, in denen Atomprojekte durchgezogen werden. In den von CIGÉO betroffenen Départements Meuse und Haute-Marne entspricht es 50 Millionen Euro, Tendenz weiter steigend. Das sind 500 Euro pro EinwohnerIn im Département Meuse. Damit werden z.B. Bauvorhaben von der Gemeinde oder vom privaten Bauherr bezuschusst. In der Gegend um Bure haben alle Dörfer brandneue rote Laternen, die Fassaden sind schön säuberlich saniert.

    Es gab anfangs auf kommunaler Ebene Widerstand gegen das Atommülllagerprojekt. Die Kommunen, die die Sirenen des Geldes nicht hören wollten, wurden aber unter Druck gesetzt und trocken gelegt. Die widerständigen Bürgermeister gaben schließlich resigniert auf oder wurden nicht wiedergewählt. Und die BürgerInnen, die der Verlockung des Geldes weiterhin widerstehen, werden isoliert.

    Kahlschagbeschluss im Frühtau

    Obwohl die Bevölkerung des Dorfes Mandres en Barrois sich 2013 gegen CIGÉO in einer Befragung ausgesprochen hat, tagte der Gemeinderat quasi im Geheimen um 5 Uhr morgens am 2. Juli 2015 – wohl um eine größere Mobilisierung von ProjektgegnerInnen zu verhindern. Mit Geheimzetteln wurde über den Austausch von Waldgebieten mit der ANDRA abgestimmt. Der Gemeinderat stimmte schließlich für den Austausch, den die Bevölkerung nicht will. 220 Hektar Gemeindegebiet werden der ANDRA übertragen und somit für den Kahlschlag und für CIGEO freigegeben. Dafür erhält die Gemeinde ein 370 Hektar großes Waldgebiet in der Gegend. Der verbitterte Kommentar eines Gegners von CIGEO: „Interessant ist, dass es diese Woche in Montiers, nicht weit von Mandres, eine Volksabstimmung wegen des Baus einer Tankstelle gab. Über den Austausch von Waldgebieten und CIGEO wird dagegen im Geheimen beraten und entschieden, es gibt keinen Volksentscheid.“

    Atommülllager und Wachstum: Thema verfehlt

    Es werden Fakten geschaffen, obwohl das Atommülllager noch gar nicht genehmigt ist. Selbst die inzwischen vom französischen Verfassungsgericht für nichtig erklärte Teilgenehmigung war noch keine endgültige Genehmigung für das Atommülllager. Die französische Assemblée Nationale hat am 8. Juli 2015 im Schnellverfahren das Macron-Gesetz über „Wachstum, Wirtschaftsförderung und wirtschaftliche Chancengleichheit“verabschiedet. Dabei wurde Artikel 49-3 der französischen Verfassung angewendet, dass die Verabschiedung von Gesetzen ohne parlamentarische Debatte ermöglicht. Die Festlegung auf Bure (Lothringen) für ein atomares Endlager sowie die sogenannte „Rückholbarkeit“ wurden in letzter Minute in dritter Lesung in das Gesetz rein geschoben. Was ein atomares Endlager in einem Wachstums-Gesetz zu suchen hat, bleibt das Geheimnis der französischen Regierung und der Atomlobby. Das französische Verfassungsgericht hat das auch nicht verstanden und den Artikel beanstandet. Begründung: Thema verfehlt.

    2016 wird ein entscheidendes Jahr sein. Die Regierung hat ein nach dem Rückschlag mit der Loi Macron ein neues Gesetz angekündigt. Die Bauarbeiten für die neue CASTOR-Bahn sind programmiert und die ersten Baumfällungen stehen unmittelbar bevor. Um so wichtiger ist es, den Widerstand in Bure bekannter zu machen und zu stärken und den Herausforderungen, die die Politik stellt, gewachsen zu sein und das Vorhaben zu stoppen! In diesem Hinblick war das internationale Camp am ehemaligen Bahnhof von Luméville ein gelungenes Experiment.

    Internationales antikapitalistisches Camp

    Die Beteiligung am internationalen antikapitalistischen Camp übertraf die Erwartungen seiner InitiatorInnen. Vier leckere Volksküchen und ein Bäcker, der sein Brot vor Ort backte, meisterten die Aufgabe, die ca. 800 CampteilnehmerInnen zu versorgen. Den Strom lieferten Solaranlagen und ein Windrad. PressevertreterInnen waren zum Schutz der Privatsphäre und der Freiheit der Meinungsäußerungen in den Diskussionen auf dem Campgelände unerwünscht, dafür verfügte das Camp über eine eigene Pressegruppe, die Informationen veröffentlichte und ein eigenes freies Radio verwaltete.
    Das Camp war von der Idee geprägt, verschiedene soziale und umweltpolitische Kämpfe zusammenzuführen und den Widerstand in Bure sowohl innerhalb von politischen Bewegungen als auch nach außen zu thematisieren. Die Diskussionen wurden durch ehrenamtliche DolmetscherInnen in verschiedene Sprachen übersetzt. Das Kollektiv Bla stellte dafür die technische Infrastruktur zur Verfügung.

    AkteurInnen des lokalen Widerstandes in Bure erzählten über ihren Kampf, es wurde über Unterstützungsaktionen für die Geflüchteten in Calais berichtet und über Flüchtlingspolitik diskutiert. Die anstehenden Proteste anlässlich des Klimagipfels COP 21 in Paris im Dezember 2015 wurden ausgiebig vorgestellt. Spannend gestaltete sich eine Begegnung zwischen den widerständigen Landwirten von la ZAD in Notre Dame des Landes und Landwirten aus Bure. Die Landwirte aus Bure haben notgedrungen ihre Flächen an die ANDRA verkauft. Weil in Bure extensive Landwirtschaft auf riesigen Feldern betrieben wird, waren sie nicht genug Landwirte, um sich der ANDRA zu widersetzen. Sie stehen nun vor der Wand, weil die Vereinbarung wonach sie an die ANDRA verkaufen, aber ihre Felder weiter bestellen dürfen, nach und nach an Bestand verliert, dort wo die ANDRA die Grundstücke auch oberflächlich nutzen will, nimmt sie diese in Beschlag. In la ZAD (Abkürzung für „zu verteidigende Zone, besetztes Gebiet gegen ein Flughafenprojekt) dagegen haben sich die LandwirtInnen organisiert und die Gegend wieder besetzt. Die Landwirte aus Bure waren von der Begegnung sichtlich angetan.

    Erschreckend aber spannend war für die TeilnehmerInnen die Vorstellung der Waffen der französischen Polizei und die Augenzeugenberichte von Betroffenen polizeilicher Gewalt.

    Zur Erleichterung vieler AktivistInnen, zeigte sich die Polizei während des Camps eher diskret. Es kamen keine dieser schrecklichen Waffen wie Splittergraten oder Falschballs zur Anwendung. Dieses Arsenal wendet die Polizei üblicherweise gegen Massenaktionen an. Die Aktionen, die vom Camp ausgingen, waren aber eher Kleingruppenaktionen: Wanderung zu der Hochspannungsleitung, Kletteraktion, Straßentheater und Aktion „Scheiße“.

    Kreative Aktionen

    Die AktivistInnen haben in kreativer Art und Weise den Verantwortlichen von CIGÉO vermittelt, was sie von der Atompolitik halten.

    Eine kleine Gruppe zog durch die Dörfer und setzte ihr in einem praktischen Kletterworkshop frisch erworbenes Wissen um. Erste Station war Mandres en Barrois. Dort wurde eineAtomkraft – Nein-Danke-Fahne an einer der neuen roten Laternen gehisst. Es dauerte nicht lange, bis der Bürgermeister erbost erschien und die Polizei alarmierte, es seien ja „seine“ Laternen. Die Polizei beschrenkte sich allerdings darauf, den Bürgermeister zurückzuhalten, als er wegen der Bemerkung einer Aktivistin zu den Schmiergeldern zur Bezahlung der Laternen und den Waldtausch im Frühtau handgreiflich wurde.

    Dann ging es weiter nach Bonnet. Dort wurde ein großes Banner an der Ortseinfahrt zwischen zwei Bäumen aufgehängt. Als dieses einige Tage später abgeholt wurde, zeigten sich AnwohnerInnen enttäuscht, sie hätten gerne weiterhin das schöne bunte Banner am Eingang des Dorfs hängen gesehen.
    In Void Vacon, ca. 30 Kilometer von Bure entfernt, simulierten Menschen aus dem örtlichen Widerstand zusammen mit AktivistInnen des Camps einen atomaren LKW-Unfall mitten im Dorf. Der Ort ist eine Drehscheibe für internationale Atomtransporte per LKW (4). Die Aktion war Grund genug für die Präfektur, ein Dementi zu veröffentlichen.

    Darin beschwerte sich der Präfekt außerdem über die Aktion „Scheiße“, diese sei eine inakzeptable Eskalation der Gewalt. In der Nacht vom 7. auf den 8. August wurde Scheiße aus dem Kompostklo vom Camp vor der Präfektur entladen. Der Präfekt wird in Frankreich von der Regierung in Paris ernannt und sorgt für die Umsetzung der Entscheidungen von Oben vor Ort. Er hat mehr Macht als alle anderen Behörden und VolksvertreterInnen vor Ort. An der Wand des Gebäudes wurde die Parole „AREVA, REPREND TA MERDE“ und „NUCLEAIRE = POUBELLE ETERNELLE“. gemalt (AREVA nimm deine Scheiße zurück, Atomkraft = Atomklo für immer)

    In der Nacht vom 10. auf den 11. August wurde dann einem Verantwortlichen der ANDRA ein Denkzettel verpasst: Emmanuel Hance hat ebenfalls Scheiße vor seiner Haustür erhalten sowie einen grünen Anstrich seiner Fassade, in Anspielung auf das Greenwashing, das er für die ANDRA betreibt. Emmanuel Hance kümmert sich um den Kauf und Tausch von Grundstücken. Sein jüngster Erfolg ist der Tausch von Waldstücken in Mandres en Barrois. Er setzt sich so stark für CIGEO ein, dass er selbst innerhalb der ANDRA eine umstrittene Person ist.

    Die Menschen aus den lokalen Widerstandsstrukturen zeigten sich über das Camp begeistert und haben nach eigenem Bekunden neue Energie für den weiteren Widerstand getankt. Und sie freuen sich auf – internationale – Solidarität und Unterstützung bei ihren Aktionen.

    Anmerkungen:

    (1) Die Karte ist auf Paris luttes info zu finden

    (2) Siehe GWR 391 September 2014

    (3) ebenda

    (4) ebenda

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    Das Atomland Lothringen

    Zuerst erschienen in der Zeitschriftt GWR 391, September 2014

    Im Grenzgebiet zwischen Belgien, Luxemburg und Deutschland sorgt das französische Atomkraftwerk Cattenom mit zahlreichen Störfällen immer wieder für Diskussion. Über die anderen Atomanlagen der Region ist in der breiten Öffentlichkeit dagegen wenig bekannt. Lothringen spielt eine zunehmend wichtige Rolle für die Atomlobby. Es ist die einzige französische Region, die an drei andere Staaten grenzt (Belgien, Luxemburg und Deutschland), Départements wie die Meuse haben eine niedrige Bevölkerungsdichte, ein Teil der Region leidet immer noch unter der Schließung der ehemaligen Kohlebergwerke, die Arbeitslosenquote ist hoch. Es sind für die Atomlobby günstige Voraussetzungen, um Akzeptanz für neue Anlagen zu schaffen und es dem Widerstand schwer zu machen. Ein Endlager wird u.a. mit Hilfe von Infrastrukturfördergeldern an die Kommunen von der Politik und der Atomlobby durchgesetzt. Die Region entwickelt sich außerdem zunehmend zu einer Drehscheibe für internationale Atomtransporte.

    Bure im Meuse-Département: von der Erkundung zu „CIGEO“

    Von einem Endlager für hoch radioaktivem Müll in Bure (département Meuse) war 1994 zu Beginn der „Erkundungsarbeiten“ nicht die Rede. Von offizieller Seite hieß es, es sei ein wissenschaftliches Erkundungs- und Forschungsprojekt und bedeute keine Festlegung auf Bure als Standort für das zukünftige Endlager für hoch radioaktiven Müll. Das Gesetz schrieb die Durchführung von Erkundungen in unterschiedlichem Gestein vor. Daran wurde sich aber nicht gehalten. Nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus pragmatischen geopolitischen Gründen: In Bure traf man auf eine strukturschwache Region mit geringer Bevölkerungsdichte und ohne großem Widerstandspotential. Die lokalen Politiker ließen sich mit großen Summen für das Projekt gewinnen. In anderen Regionen Frankreichs war der Widerstand in der Bevölkerung sofort da. Das Vorhaben der Regierung scheiterte, die nationale Agentur zur Atommüllentsorgung (ANDRA) entschied sich für eine Beteiligung an Forschungsprojekten im Ausland, u.a in Deutschland (Asse) und in den USA (WIPP).

    Der Skandal um das deutsche „Forschungsbergwerk“ Asse kratzte das Image der ANDRA an, auch wenn es sich in Frankreich in Grenzen hielt, weil lediglich ein Bruchteil der französischen Öffentlichkeit über die Asse Bescheid weiß. Die Verantwortung für das Desaster wurde auf den deutschen Partner geschoben, er habe Fehler gemacht, die man hierzulande niemals gemacht hätte.

    Das offizielle Ergebnis der Erkundung in Bure ist, dass der Standort geeignet ist, der Untergrund ist dicht. Abweichende Meinungen einiger WissenschaftlerInnen werden schlicht ignoriert. Die Untersuchung der Geologen Murrot und Muller, die geologischen Verwerfungen im Gebiet gefunden haben, fehlen auf der offiziellen Karte der ANDRA vollständig. Für die ANDRA irrelevant ist auch, dass das Gebiet einen grundwasserreichen Untergrund hat, was die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung erhöht – es geht um die hydrogeologischen Zusammenhänge z.B. bis ins Pariser Becken.

    Ich durfte vor einigen Jahren das „Labor“ besichtigen. Der Geologe, der die Besichtigung leitete, gab zu, man könne keine Sicherheit für Tausende von Jahren gewährleisten. Tonstein sei aber stabil und so zu sagen das kleinere Übel. Doch, wer den Fahrer einer Tunnelbohrmaschine fragte, bekam ein anderes Bild: die Arbeit sei nicht anstrengend, man müsse sogar Pausen einlegen, damit das alles nach und nach stabilisiert werde. „Das ist wie Butter“, war die Aussage. So viel zur Stabilität des Gesteins. Ein ASSE II ist vorprogrammiert.

    Von Forschung ist in Bure heute kaum noch die Rede. Die Regierung hat sich auf den Standort für ein Atommülllager festgelegt, das Projekt heiß inzwischen CIGEO. Es steht für Centre Industriel de stockage GÉOlogique ( Industriezentrum für geologische Lagerung).

    Das Endlager hat noch keine Genehmigung, die Vorarbeiten laufen aber schon auf Hochtouren: Straßen werden erweitert, Gebäude entstehen im Niemandsland. Eine Bahnanlage für die Beförderung von ca. 100.000 CASTOR-Behältern ist in Planung. Nach Angaben der ANDRA wird das Lager zunächst für 6000 Kubikmeter Müll konzipiert. Dies ist die Menge, die seit Inbetriebnahme der heutigen französischen Atomkraftwerke bereits entstanden ist und bis 2030 noch anfallen wird.

    Dass das vorhaben der Regierung in der Französischen Öffentlichkeit umstritten ist, zeigte die „Débat public“ (Öffentliche Debatte). Die Debatte ist nach dem Französischen Gesetz bei Großprojekten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zwingend durchzuführen. Mitglieder der Kommission des „Débat public“ laden zu öffentlichen Versammlungen in ganz Frankreich ein, wo sie das Vorhaben vorstellen und Fragen aus dem Publikum beantworten. Zahlreiche Menschen waren sich bewusst, dass die Debatte keinerlei Einfluss auf das Genehmigungsverfahren haben würde und mehr der Legitimierung des Projektes in einer Scheindemokratie dienen würde. Sie entschlossen sich für lautstarken Protest. Hunderte von AktivistInnen sprengten die Veranstaltungen, die alle abgesagt werden mussten. Die Regierung verlagerte schließlich die „Debatte“ ins Internet

    Ein Unfall in den USA kommt für CIGEO ungelegen. In dem sich seit 15 Jahren im Betrieb befindlichen Endlager für radioaktivem Atommüll militärischer Herkunft in einem Salzstock (WIPP für Waste Isolation Pilot Plant) im US-Bundesstaat New Mexico ereigneten sich Anfang 2014 zwei Unfälle. (Siehe Heise.de und klartext.de)

    Mindestens 21 Arbeiter wurden mit Americium 241 kontaminiert, eine halbe Meile von dem Atommülllager entfernt wurde in der Luft neben Americium auch Plutonium festgestellt. Erhöhte Strahlenwerte wurden Anfang März gemessen. Es ist unklar, wie lange die Anlage geschlossen bleibt. Es sickern nur wenige Informationen zu diesem Unfall durch. Als Ursache wird ein LKW-Brand, der sich am 5. Februar 2014 im Salzstock ereignete, vermutet. Die erhöhte Radioaktivität erklärt die US-Energiebehörde (DOE) mit der Tatsache, dass womöglich ein Fass oder mehrere Fässer, die in einer der Kammern im Salzstock eingelagert wurden, bei einem Einsturz der Decke aufgeplatzt sind. Gesicherte Erkenntnisse gibt es nicht, weil die erhöhte Radioaktivität einen freien Zugang zum Unglücksort durch ArbeiterInnnen verhindert.

    Die ANDRA warb bis vor wenigen Monaten für CIGEO mit einem Vergleich zu der Anlage in New Mexico. Die Anlage galt als Fallbeispiel für Bure, weil für CIGEO die gleiche Einlagerungstechnik zur Anwendung kommen soll. Seit dem Unfall schweigt die ANDRA zu diesem Thema.

    Die Ereignisse bekräftigen die WiderständlerInnen in der Region. Mit dem Haus vom Verein „Bure Zone Libre“ (BZL) haben die AtomkraftgegnerInnen einen festen Ort, um den Widerstand im 80-Seelendorf Bure zu organisieren. Das Haus wurde 2004 gekauft und wird seitdem durch Ehrenamtlichen aus ganz Frankreich und Europa renoviert. Mitglied im Verein BZL sind auch Menschen und Gruppen aus Deutschland. Gruppen können empfangen werden, diverse Widerstandsvernetzungstreffen finden im Haus statt. Als Ergebnis mehrerer Treffen von AKW-GegnerInnen aus Ostfrankreich (AG antinuc Grand t’Est) wurde eine dezentrale Aktionskampagne von einem Jahr mit dem Namen „Bure 365“ Anfang Juni 2014 gestartet. Hauptziel ist es, den Widerstand gegen die Endlagerung von radioaktiven Atommüll (Projekt CIGEO) und gegen die Atomkraft und all das was dazu gehört, bekannt zu machen und auf nationaler und internationaler Ebene auszudehnen. Im inzwischen ins Deutsche übersetzter Aufruf heißt es:

    […] Wir wollen keine alternativen Vorschläge zur Atommüllentsorgung einbringen, solange die Produktion des Atommülls nicht definitiv gestoppt wird. Ein solcher Vorschlag würde bedeuten, dass wir für die Atomindustrie ehrenamtlich arbeiten und das geht gar nicht klar! [...]

    Die einzige vertretbare Perspektive ist die Abschaltung der Atomkraftwerke und der damit verbundene Stopp der weiteren Atommüllproduktion. Das Projekt CIGEO heißt auch, gegen einen Staat anzukämpfen, der um den radioaktiven Atommüll, der sich von Tag zu Tag anhäuft, zu legalisieren, einen gesetzlichen Rahmen schafft. [...]

    Unser Ziel ist, dass überall Gruppen sich den Aufruf zueigen machen und so viele Aktionen wie möglich über einen Zeitraum von einem Jahr auf die Beine stellen. Die Idee ist, dezentralisiert nach unserem eigenen Kalender an unerwarteter Stelle zu handeln und die eigenen Spielregeln gelten zu machen.

    Die Kampagne ist für alle Aktionsformen offen und solidarisiert sich.[...]

    Unser Kampf und Widerstand ist nicht umkehrbar (reversible)! CIGEO wird „endbegraben“!

    In der Grenzregion Lothringen wird nicht nur – sollte es tatsächlich in Betrieb gehen – das zukünftige Endlager in Bure für zahlreichen Atomtransporte sorgen. Die Gegend wird jetzt schon von zahlreichen internationalen Atomtransporten durchquert. In letzter Zeit wurde die Infrastruktur für diese Atomtransporte, insbesondere aus den Niederlanden und Deutschland, massiv ausgebaut. AtomkraftgegnerInnen sind diesen Transporten auf der Spur.

    Ein Urantransport aus Kasachstan, der im Hamburger Hafen umgeschlagen wurde und über Deutschland nach Malvési in Süd-Frankreich bei Narbonne fuhr, sorgte für Schlagzeilen. AtomkraftgegnerInnen beobachteten die Zusammenstellung und Abfahrt des Zuges im Hamburger Hafen am Süd-West Terminal C. Steinweg. Sie stellten fest, dass 4 von 19 mit Uranerzkonzentrat beladene Container nicht auf die Reise zur Urankonversionsanlage Comuhrex in Malvési gehen durften. Die verladenen Container selbst waren stark verbeult und machten keinen guten Eindruck. Sie machten ihre Beobachtungen öffentlich, JournalistInnen übernahmen die Informationen und recherchierten nach (Bericht.

    Dem NDR zufolge muss die Hafenpolizei immer wieder Beförderungsverbote für die atomare Fracht aussprechen. Die Zulassung der Behälter ist oft abgelaufen, sie sind stark verbeult oder gar löchrig!

    Die radioaktive Fracht wurde in der Vergangenheit auf ihren Weg über Machen, Buchholz, Osnabrück, Münster, Hamm, Köln, Gremberg, Trier, Ehrang, Woippy, Montpellier und Narbonne beobachtet. Solche Transporte finden mindestens alle paar Wochen statt. Woippy liegt in Lothringen und ist der größte Rangierbahnhof Frankreichs. AktivistInnen konnten im Mai beobachten und filmen, wie die Waggons über den Ablaufberg rangiert wurden.

    Ein Eisenbahngewerkschafter erklärte mir später, diese Rangiertechnik sei in Frankreich mit radioaktiven Stoffen untersagt. Aber die Atomlobby macht einfach weiter – bis zur nächsten Entgleisung, bis zum Unfall. In letzter Zeit häufen sich wegen der schlechten Wartung von Rangiergleisen die Güterzugentgleisungen. Über Woippy fahren außerdem zahlreiche Uranzüge zwischen der deutschen UAA in Gronau und der französischen UAA in Pierrelatte. Mit der Eröffnung eines Zwischenlagers für Uranmüll mit unbefristeter Betriebsgenehmigung in Gronau wird der Anzahl der Transporte in den kommenden Monaten drastisch zunehmen. Französische und deutsche AtomkraftgegnerInnen bleiben am Ball und wollen ihre Zusammenarbeit vertiefen. In Hamburg wird eine Kampagne gegen Atomtransporte über den Hafen gestartet.

    In der Gegend um Bure interessieren sich die AtomkraftgegnerInnen nicht nur für die Endlagerbaustelle. Der Atomkonzern AREVA ließ sich 2009 mit einer logistischen Transportplattform LMC (Le Maréchal Célestin) in Void-Vacon nieder. Die Plattform wurde ursprünglich für den Transport von mechanischen Bauteilen konzipiert, die für Atomanlagen bestimmt waren. AtomkraftgegnerInnen stellten Anfang 2014 jedoch fest, dass AREVA nicht dabei geblieben ist. Über die logistische Transportplattform werden auch Transporte von radioaktivem Material abgewickelt. Bei internationalen LKW-Transporten findet der Fahrerwechsel in Void-Vacon statt.

    Die AktivistInnen machen Druck, um Licht über die Atomgeschäften von AREVA in Void-Vacon zu machen. Sie verteilten 2000 Flugblätter an die AnwohnerInnen, hielten eine einwöchige Mahnwache ab, stellten der ASN, der Atomaren Sicherheitsbehörde, Fragen. In einer Antwort der ASN an das Netzwerk Sortir du nucléaire sind Informationen zu finden, wonach es u.a. UF6 Transporte zwischen der französischen UAA Pierrelatte und der deutschen Brennelementefabrik Lingen gibt, sowie Transporte von angereichertem Uranoxyd UO2 zwischen Lingen und Pierrlatte. Die deutsche Firma URENCO spielt auch mit, es gibt UF6 Transporte zwischen der URENCO UAA in Almelo (Niederlanden) und Pierrelatte.

    AREVA begründet zynisch die Zunahme dieser Transporte über Void-Vacon damit, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen, nachdem der Transport von Bauteilen wegen der Beendigung der Bauarbeiten in Pierrelatte nachgelassen hat. In Pierrelatte wurde mit URENCO-Patenten eine neue effizientere Urananreicherungsanlage mit Zentrifugverfahren fertig gestellt.

    Die AtomkraftgegnerInnen wollen nun handeln und freuen sich über eine Zusammenarbeit mit deutschen AktivistInnen. Schließlich sind deutsche Standorte wie Lingen oder Firmen wie die URENCO am Geschäft beteiligt!

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    In Gedenken an Sébastien Briat

    Im Zuge der Protestaktionen gegen einen Castortransport von La Hague in Frankreich nach Gorleben versuchte eine Gruppe von UmweltaktivistInnen am 7. November 2004 bei Avricourt in Frankreich den CASTOR-Zug zu stoppen. Mit einer Ankettaktion wollten sie ihrem Protest gegen die Atomkraft Ausdruck verleihen. Eine Verkettung von Fehlern und Fehleinschätzungen führte zu einem tödlichen Unfall. Sébastien, der zur Blockierergruppe gehörte, wurde vom Fahrt- wind des Zuges erfasst und auf die Schiene geschleudert. Er starb noch am Unfall- ort in den Armen eines Freundes. Als ich von dem Tod von Sébastien erfuhr, saß ich in einer Zelle auf der Polizeiwache in Nancy.

    Wie ich dies erlebte, wie seine Weggefährtinnen und Weggefährten reagierten und wie es weiter ging, wird in den drei folgenden Texten geschildert. Die Texte sind in meinem Buch "Kommen Sie da runter! " erschienen.

    Zwischen Freude und Trauer, ein Erfahrungsbericht

    Tief in der Nacht zum 07. November 2004 machten wir uns auf den Weg nach La- neuveville-devant-Nancy. Die 14-köpfige Gruppe setzte sich ins Gebüsch neben der Schiene. Der Anfang einer langen kalten Nacht. Gegen 11 Uhr kam die erste Nachricht: »Der Zug passierte gerade Nancy«. Ganz schnell wurde der Schotter weggeschoben, und der Hubschrauber, der dem Zug voraus flog, entdeckte gleich die Gruppe. Bald bekamen wir das Signal: »Der Zug bremst«. Eine kleine Gruppe ging mit einem Transparent Richtung Zug und emp- fing die Bereitschaftspolizisten mit einem Zettel, worauf stand, es gehe um eine gewaltfreie Aktion gegen Atomkraft. Zur Überraschung der Polizei war die Presse auch schon vor Ort.

    Es ging uns darum, gegen die Atomkraft und Atomtransporte durch eine ent- schlossene Aktion zu protestieren. Seitdem Atomtransporte in Frankreich zum Militärgeheimnis erklärt wurden, wissen die Leute nicht einmal, dass solche Züge durch Städte und Gemeinde fahren. Ja, mit unserer Blockade haben wir ein Mi- litärgeheimnis gelüftet! Die Aktion fand zudem in der Nähe einer Chemiefabrik statt. Ich wohnte in Toulouse in Frankreich und weiß, wie eine solche Fabrik ex- plodieren kann! 2001 kam es in der Fabrik der AZF (Azote de France) bei Tou- louse zu einer Explosion, bei der 31 Menschen starben und eine riesige Panik ent- stand.

    Erst als die Polizei sich in Richtung Blockadestelle bewegte, kettete ich mich mit einem Rohr an den Schienen an, zusammen mit Camille. 12 weitere Unterstüt- zerInnen besetzten die Schiene. Die Polizei versuchte, mich zunächst mit Gewalt loszuziehen, dies gelang ihr aber nicht. Sie holte Werkzeug und flexte das Rohr auf. Der Rest der Gruppe kommentierte die – ineffektive – Handlung der Polizei amüsiert, es wurden Lieder gesungen.

    Nach anderthalb Stunden Arbeit wurden wir »befreit« und gleich mit Handschellen abgeführt. Der Polizeichef nahm offenbar die Sache ernst und kam vor Ort, um die Ingewahrsamnahme beider »Angeketteten« selber festzustellen. Die Festnahme wurde mit Akkordeonspiel begleitet, eine Unterstützergruppe aus Nancy war nach- gerückt und wartete beim Bahnübergang. Die 12 weiteren BlockiererInnen wurden zum Zweck der Personalienfeststellung mitgenommen. Der Zug fuhr gegen 13:30 Uhr weiter.

    Der Abtransport dauerte noch etwas Zeit, da die Polizei meinen Ausweis haben wollte. Aber mit gefesselten Händen war das ja nicht möglich. Wir wurden auf der Polizeiwache wie üblich verhört und anschließend in engen Einzelzellen – mit getrockneter Blutlache am Boden – stundenlang eingesperrt. Störung öffentlicher Betriebe wurde uns vorgeworfen. Das Gesetz stammt aus dem zweiten Weltkrieg, aus der Vichy-Zeit. Beeindruckt war ich von alldem nicht. Wir hatten uns gut vor- bereitet und wussten, wie wir mit Repression umgehen wollten. Die Freude, den Zug für über zwei Stunden zum Stehen gebracht zu haben, war groß.

    Die Freude dauerte aber nicht lange. Ein Polizist kam Ende des Nachmittags grin- send zu mir in die Zelle und sagte: »Der Zug hat einen Atomkraftgegner überrollt.« Trauer, Wut und Empörung, ich konnte es nicht fassen. Es war umso schwieriger, dass ich alleine in der Zelle war und mich nicht mit Menschen unterhalten konnte. Ich wusste nicht, ob ich mit dieser – vielleicht falschen – Information zur Aussage erpresst werden sollte oder ob wirklich jemand ums Leben gekommen ist. Wir kamen gegen 20:30 Uhr frei und wurden von Presseanfragen überrumpelt. Viele AktivistInnen standen unter Schock und wollten mit der Presse nicht reden. Doch überall war die Rede davon, die AktivistInnen um Sébastien seien lebens- müde gewesen. Als seien die Gefahren der Atomkraft, gegen die die Gruppe sich wehrte, nicht größer. Ich fühlte mich dafür verantwortlich, gegen diese Verdrehung anzukämpfen.

    Beide Aktionsgruppen haben unabhängig voneinander gehandelt. Die Gruppe um Sébastien hatte genauso viel Erfahrung wie unsere. Für uns ist eines klar: Atom- kraft hat getötet, und Menschenleben sind der Atomlobby nichts wert. Wir alle sind schockiert. Wir wollen weder Helden noch Märtyrer sein. Aber wir verges- sen die Nachricht von Sébastien nicht und wir werden uns weiterhin quer stellen. Sébastien kämpfte für das Leben!

    Anmerkung: Dieser Text entstand 2004 kurz nach dem Tod von Sébastien, erstveröffentlichung in der Zeitschrift Anti atom aktuell.

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    Erklärung der Wegbegleiter*innen von Sébastien

    „Am 7. November 2004 starb Sébastien, als ihn die Lokomotive des Atommüllzugs nach Gorleben erfasste. Einige Wochen zuvor hatte er sich mit anderen von uns zum Handeln entschieden, um die Angreifbarkeit dieser Transporte publik zu ma- chen. Die Tatsache, dass er tot ist, sollte nicht vergessen lassen, dass diese Aktion gewaltfrei, überlegt und freiwillig war.

    Auch wenn dieses Drama es so erscheinen lässt, war unsere Tat keinesfalls unver- antwortlich, bzw. ein Akt der Verzweiflung. Unser Engagement ist das Ergebnis tiefster Überzeugung von der Realität der bestehenden Gefahr, welche die Atom- kraft schon viel zu lange darstellt. Diese Aktion war gemeinsam genauestens vor- bereitet: Genaue Ortskenntnisse und die Berücksichtigung eines Notfallstopps. Wir hatten mehrfach die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass der Zug nicht an- halten könnte. Da wir uns in einer langgezogenen Kurve mit eingeschränkter Sicht befanden, war uns klar, dass wir notfalls die Gleise sehr schnell verlassen müssten. Wir lagen zu viert neben den Schienen, da wir zwei Rohre unter den Gleisen plat- ziert hatten. Niemand lag zwischen den Schienen, um notfalls schnell wegzukom- men. Wir waren nicht angekettet und hatten so die Möglichkeit, schnell den Arm aus dem Rohr zu ziehen.

    Leider konnte die Gruppe, die den Zug 1500 m vorher zum Bremsen bringen sollte, nicht handeln. Der Hubschrauber, der ständig dem Zug voraus fliegt, fehlte. Er war »Tanken«; aber die Gruppe rechnete damit, dass er die Ankunft des Zuges sig- nalisieren würde. Da neben dem Zug Fahrzeuge der Gendarmerie mit hoher Ge- schwindigkeit fuhren, konnte die Stoppergruppe nicht handeln. Vor dem Transport konnte also weder vom Hubschrauber noch von den StopperInnen gewarnt werden und so kam er mit 100 km/h auf uns zu. Diese Verkettung von Umständen brachte uns in Gefahr. Deswegen hatten die Personen, die an den Gleisen lagen, sehr we- nig Zeit festzustellen, dass der Zug seine Geschwindigkeit nicht verringerte. Wir hatten es geübt, sekundenschnell wegzukommen.

    Sébastien wurde dabei erfasst, als er die Gleise verließ. Sein Arm steckte nicht in dem Rohr fest, wie die durchzuführenden Untersuchungen beweisen werden. Es ging alles so schnell, dass wir ihm nicht helfen konnten.

    Wir waren in der Kälte zehn Stunden lang etwa 30 m von den Gleisen entfernt am Waldrand versteckt. In dieser Zeit wurden weder wir noch die Vorposten zur Benachrichtigung (15 Kilometer entfernt vom Ort der Aktion) noch die Gruppe, die den Zug stoppen sollte, von den Sicherheitskräften entdeckt. Wir wurden auch nicht entdeckt, als wir im Vorfeld um fünf Uhr morgens die Rohre unter die Schie- nen legten. Es ist klar, die Verantwortung jedes Beteiligten muss festgestellt wer- den, unsere inbegriffen. Zur Stunde erleben wir einen der schlimmsten Augenblicke unseres Lebens.

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    Dabei! Eine kleine Castor-Geschichte

    Es ist wie auf einem Schlachtfeld. Es ist Nacht. Die Menschen sind ermüdet und nass. Sie haben stundenlang versucht, den Castor mit seinem hochradioaktiven Müll anzuhalten. Eine riesige Polizeiarmee mit ihren Schlagstöcken und Wasser- werfern hat sie daran gehindert.

    Die tödliche Fracht hat jetzt ihr Ziel erreicht, und du denkst, die Schlacht ist für heute vorbei. Aber nein, eine Berliner Einheit rennt plötzlich auf die Menschen zu. Das ist die Rache. Sie schlägt auf alles ein, was sich bewegt. Ich stürze und krie- ge ein paar Schläge ab. Ich bin verzweifelt, und ich frage mich, ob der Preis für den Kampf gerade nicht zu hoch geworden ist. Meine Gesundheit ist mir ja wichtig. Kurz darauf fange ich aber den Blick von einem guten französischen Freund ein. Tränen kommen mir in die Augen. Vor ein paar Jahren starb Sébastien in seinen Armen, als er vom Castorzug erfasst wurde. Ich fühle mich plötzlich wieder stark. Trotz der harten Repression sind wir dabei. Wir kämpfen für das Leben.

    Seit dem Tod von Sébastien hat es in Frankreich weitere Ankettaktionen an der Schiene gegeben. Mit Unterstützung von GewerkschaftlerInnen der französischen Bahn konnten die AktivistInnen ihre Sicherheitsvorkehrungen verbessern. Die zweit- größte französische Eisenbahngewerkschaft Sud-Rail nimmt öffentlich Stellung gegen Atomtransporte. Trotzdem gab es 2010 bei einer Ankettaktion gegen den Castor- transport nach Gorleben in Caen Schwerverletzte, weil die Polizei beim Auftrennen der Ankettvorrichtungen keinerlei Schutzmaßnahmen traf. Sie verweigerte beim Aufflexen mit einer ungeeigneten Straßenflex die Kühlung und eine Schutzschiene in der Ankettvorrichtung. Die Folge waren Verbrennungen dritten Grades und durch- geschnittene und durchgeschmolzene Sehnen. Als Antwort darauf wurde dann für den Castortransport nach Gorleben zu Massenprotesten nach Valognes aufgerufen. Dem Aufruf folgten über 800 Menschen. Eine Premiere bei einem Transport nach Gorleben in Frankreich. Siehe Dossier über den Widerstand in der Normandie.